„Ich bete zu Gott, dass der Krieg bald endet“

Etwas Licht in dunklen Zeiten: Albina mit ihrer Tochter Lisa und (einem Teil) ihrer Familie im Garten des Caritas-Hauses in Dornbirn. „Ich bin sehr glücklich, dass sie in Sicherheit sind. Mein Vater, meine Brüder und eine Schwester sind aber noch in der Ukraine. Ich mache mir sehr große Sorgen um sie“, sagt Albina.
Die Ukrainerin Albina Erath lebt mit ihrer kleinen Familie im Bregenzerwald. Im Talk spricht die 29-Jährige über den Krieg in ihrer alten Heimat, Angst um ihre Liebsten und grenzenlose Dankbarkeit für die Hilfsbereitschaft aus dem Ländle.
WANN & WO: Albina, du lebst mit deinem Mann und deiner Tochter in Schoppernau. Wie lange bist du bereits in Vorarlberg?
Albina Erath: Ich bin vor fünf Jahren nach Österreich gekommen und habe ein Jahr lang hier gearbeitet. Dann habe ich meinen Mann kennengelernt und wohne nun mit ihm und unserer vierjährigen Tochter im Bregenzerwald.
WANN & WO: Hast du deine alte Heimat in den vergangenen Jahren besucht?
Albina Erath: Ja, ich bin normalerweise zweimal im Jahr in Kiew. Ich bin in der Stadt geboren, habe 20 Jahre lang dort gelebt und auch studiert. Im vergangenen Oktober war ich das letzte Mal dort. Ich wollte auch nun im März wieder hinfliegen. Das war aber leider nicht mehr möglich.
WANN & WO: Gab es bei deinem letzten Aufenthalt Anzeichen dafür, dass sich das Land bald im Krieg befinden könnte?
Albina Erath: Nein. Niemand hat damit gerechnet. Auch ich selbst habe bis zur letzten Sekunde nicht geglaubt, dass so etwas passieren würde. Aus diesem Grund habe ich im Februar auch noch einen Flug gebucht. Ich dachte mir, dass da nur viel geredet wird. Nicht aber, dass die Ukraine tatsächlich angegriffen wird.
WANN & WO: Am 24. Februar geschah dann aber das Undenkbare und die russische Armee startete den Angriff. Wie hast du diesen Tag in Erinnerung?
Albina Erath: Ich stand völlig unter Schock. Ich konnte nicht mehr schlafen, nichts mehr essen. Ich war verzweifelt und musste ständig weinen. Ich dachte mir immer nur: Meine Familie ist in diesem Land und ich kann ihr nicht helfen. Es war wirklich furchtbar. Natürlich hat auch unsere Tochter gespürt, dass es mir nicht gut geht. Sie ist ebenfalls in Kiew geboren, aber hier im Ländle aufgewachsen. Als ich mit meinem Mann über die Situation gesprochen habe, hat sie gesagt: Mama, das darf man mit Kiew doch nicht machen! Seither haben wir aufgehört, darüber zu sprechen, wenn sie dabei ist.
WANN & WO: Kiew ist seit Beginn des Krieges bitter umkämpft. Hast du Kontakt zu Familie und Freunden vor Ort?
Albina Erath: Die Lage in Kiew ist schrecklich. Ich telefoniere regelmäßig mit meinem Papa. Er und meine Brüder sind dortgeblieben, sie dürfen das Land nicht verlassen. Ich mache mir sehr große Sorgen um sie. Sie unterstützen andere auf der Flucht oder bringen ihnen Essen. Sie helfen den Menschen, wo es nur geht. Viele wissen aber gar nicht, wo sie hinsollen. Sie haben niemanden, zu dem sie fahren können. Oder sie wollen einfach ihre Heimat nicht verlassen. Das war auch für meine Mama sehr schwierig: Alles hinter sich lassen und nur mit einem Rucksack voller Essen losziehen.
WANN & WO: Ein Teil deiner Familie, darunter deine Mutter und deine Schwestern, ist nun seit wenigen Tagen in Vorarlberg. Wie geht es ihnen?
Albina Erath: Sie sind völlig traumatisiert. Vor ihrer Flucht haben sie nur noch im Keller geschlafen.Es war auch viel zu gefährlich, aus dem Haus zu gehen. Als es möglich war, hat mein Vater sie zum Bahnhof gebracht. Sie waren drei Tage lang unterwegs, sind mit dem Zug über die Slowakei, Tschechien und Deutschland nach Vorarlberg gekommen. Die Caritas ermöglichte es, sie in Dornbirn unterzubringen. Meine Mama bekommt auch noch immer Angst, wenn sie hier einen Hubschrauber sieht, oder ein Feuerwehrauto hört. Ich hatte auch vergessen, sie darauf vorzubereiten, dass hier am Samstag um 12 Uhr mittags die Sirenen heulen. Als sie den Alarm gehört hat, stand sie völlig unter Schock und dachte, dass wir nun auch hier angegriffen werden. Ich musste sie beruhigen und ihr erklären, dass das hier ganz normal ist und es sich nur um einen Übungsalarm handelt.
WANN & WO: 2014 hat Russland die Krim annektiert. Seither gab es immer wieder Spannungen zwischen beiden Ländern. Inwiefern waren diese in der Ukraine spürbar?
Albina Erath: Im Donbass herrschte in den vergangenen acht Jahren bereits Krieg zwischen der Ukraine und prorussischen Separatisten. Das hat die Welt aber nicht groß mitbekommen, es wurde immer als Kampf zwischen Brüdern abgetan. Nun weiß die Welt aber, dass das nicht wir waren, sondern dass Putin seine Leute dorthin in den Kampf geschickt hat. Und nun hat er uns ganz angegriffen. Es ist auch einfach schlimm, dass ein einzelner Mann eine derartige Macht hat. Und es gibt in Russland sehr viele Menschen, die an Putin glauben. Er ist schließlich der Präsident. Aber auch dort wenden sich immer mehr Menschen ab, das zeigt sich von Tag zu Tag mehr. Es ist auch nicht einfach, an gesicherte Informationen zu kommen. Ich stehe in direktem Kontakt mit Menschen vor Ort, bekomme Informationen auch über Soziale Netzwerke. Von russischer Seite wird nur noch Propaganda betrieben. Aber das kannten wir zuvor bereits.
WANN & WO: Die ganze Welt schaut gebannt in die Ukraine und hofft auf ein baldiges Kriegsende. Wie groß ist deine Hoffnung in dieser dunklen Zeit?
Albina Erath: Ich bete zu Gott für eine gute Zukunft für unser Land und dass dieser Krieg schnell zu Ende geht. Es ist einfach nur schrecklich. Zwei Millionen Menschen sollen bereits geflüchtet sein, die Zahl der zivilen Opfer steigt täglich. Was mich absolut schockiert hat, war der bestialische Angriff auf das Krankenhaus und die Geburtsklinik in Mariupol. Ich glaube aber fest daran, dass Gott uns erhört.
WANN & WO: Die Hilfsbereitschaft und Solidarität in Vorarlberg waren seit dem ersten Tag sehr groß. Wie hast du das wahrgenommen?
Albina Erath: Mein Mann und sein Bruder haben uns finanziell geholfen, damit meine Familie sicher in Vorarlberg ankommt. Freunde und Nachbarn haben uns sogar angeboten, bis zur Grenze zu fahren, um meine Schwester mit ihrem zwei Monate alten Baby dort abzuholen. Es ist wirklich unglaublich, wie hilfsbereit die Menschen hier sind! Wir sind grenzenlos dankbar und glücklich für die Unterstützung, die wir aus dem Ländle erhalten haben. Das ist wirklich sehr schön. Mein Dank gilt auch der Caritas, dass sie uns so toll und schnell geholfen haben. Fotos: Stiplovsek



Zur Person: Albina Erath
Alter: 29 Jahre
Wohnort: seit fünf Jahren in Vorarlberg (Schoppernau), geboren und aufgewachsen in Kiew
Familienstand: verheiratet, eine Tochter
Ausbildung: Studium in Kiew – Volksschullehrerin („Ich kann in Österreich allerdings nicht als Lehrerin arbeiten. Da die Ukraine kein EU-Land ist, wird meine Ausbildung hier nicht anerkannt.)