„Musik ist Magie“

Michael Heim als Narraboth in der Oper „Salome“ in Triest.

Michael Heim als Narraboth in der Oper „Salome“ in Triest.

Der in Bludenz geborene und in Thüringen aufgewachsene Tenor Michael Heim singt erfolgreich auf den Bühnen ­dieser Welt. Im Talk mit W&W spricht er über einen Kopf voller ­Arien, Dauer-Nervosität, die magische Kraft der Musik und den Umgang mit der russischen Diva Anna Netrebko.

WANN & WO: Herr Heim, als Tenor singen Sie weltweit in ausverkauften Konzerthallen. Aktuell sind Sie unter anderem als Wagners Siegfried zu sehen. Wie kamen Sie aber einst überhaupt zum Gesang?

Michael Heim: Zum Singen kam ich durch meinen Vater. Er hatte eine traumhaft schöne Tenorstimme. Bis heute noch meine Lieblingsstimme. Harald Hronek, der damalige Direktor der Musikhauptschule in meiner Heimatgemeinde Thüringen, hat mein Talent als Erster erkannt und gefördert. Wichtig waren für mich auch die Jahre bei Habib Samadzadeh in der WAMCO in Hohenems. Dort habe ich auch meine ersten Hauptrollen gesungen habe.

WANN & WO: Fällt es Ihnen leicht, sich auf Ihre Rollen vorzubereiten?

Michael Heim: In der Schule war ich immer faul und habe nie gerne etwas auswendig gelernt. Dafür hat mich der liebe Gott mit einem Beruf bestraft, der zu 80 Prozent aus Lernen besteht. (lacht) Also musste ich auch das Lernen lieben lernen. Bis zum heutigen Tag sind nun über 60 Hauptrollen und hunderte Arien und Lieder in meinem Hirn abgespeichert – inklusive der längsten und schwersten Rolle, die es für eine Tenor überhaupt gibt: Wagners Siegfried. Auf diese Rolle habe ich mich – mit Unterbrechungen – drei Jahre lang vorbereitet.

WANN & WO: Sie stehen nun schon seit über zwei Jahrzehnten auf der Bühne? Ist Nervosität nach so langer Zeit noch ein Thema?

Michael Heim: Singen ist eine Art positive Dauer-Nervosität. Man steht ständig unter Strom, alle Sinne, alle Synapsen arbeiten auf Hochbetrieb – wie beim Sport. Allerdings erst auf der Bühne. Wer schon vor dem Auftritt in diese Energie eintaucht, erzeugt einen negativen Stau und wird unnötig übernervös. Der Trick dabei ist es, Geduld zu haben. Das funktioniert nicht nur bei Prüfungen oder Vorträgen, sondern auch beim Singen.

WANN & WO: Gibt es jemanden, der Ihnen in Ihrer Karriere ganz besonders in Erinnerung geblieben ist?

Michael Heim: Meine Gesangs­lehrerin Irmgard Boas in Dresden. Von ihr habe ich das Singen erst wirklich gelernt. Sie war die große hochdramatische Sopranistin der DDR und kann Geheimnisse vermitteln, die heute kaum noch jemand weiß. Wer mich im Ländle kennt, hätte wohl nie gedacht, dass ich einmal Wagnersänger werde. Nun habe ich vor wenigen Wochen als Siegfried debütiert. Das habe ich nur der wunderbaren Persönlichkeit und Technik von Irmgard Boas zu verdanken. Wir nennen sie deshalb auch unser „Weltwunder“.

WANN & WO: Kommen wir zu einem ernsteren Thema: Sie haben sich auf Facebook kritisch zu den deutschen Waffenlieferungen für die Ukraine geäußert. Wie nehmen Sie als Künstler die aktuelle Weltlage wahr?

Michael Heim: Hier will ich es gerne allgemein halten. Ich bin Teil der Friedensbewegung. Krieg ist immer schlecht, niemals gut. Es geht bei bewaffneten Konflikten nie um Gerechtigkeit, sondern immer ums Geschäft. In der Weltsprache Musik heißt das Zauberwort: Magie. Für eine bessere Welt, in der wir alle glücklich leben können – und von der die Musik ja auch so oft erzählt –, braucht es Magie. Für die Dauer eines Konzerts leben Musiker und Zuhörer auf wundersame Weise in einem Paradies. Das funktioniert auch in anderen Bereichen des Lebens, wo es einen gemeinsamen Geist gibt, schon recht gut. Anders sieht es in der großen Politik aus. Musik ist ein Wegweiser zu einer friedlichen und freien globalen Menschheitsfamilie. Zu einer Welt ohne Hunger, Bomben und Granaten. Auch wenn es noch ein sehr weiter Weg ist, jede Generation muss einen Schritt in diese Richtung gehen.

WANN & WO: Wie sehen Sie den Umgang mit der russischen Diva Anna Netrebko?

Michael Heim: Kunst darf nie ein Opfer von Propaganda werden. Anna Netrebko ist eine der großen Diven unserer Zeit. Sie hat sich dezidiert gegen den Ukraine-Krieg – und somit auch gegen Putin – ausgesprochen. Sie darf deswegen ja auch in Russland nicht mehr auftreten. Es erinnert mich an finsterste Zeiten, wenn russische Komponisten und Autoren vom Spielplan genommen und russische Künstler beispielsweise gegen ukrainische ausgetauscht werden.

WANN & WO: Kommen wir abschließend noch einmal zu erfreulicheren Themen: Sie geben am 1. und 2. März zwei Konzerte in Hohenems. Wie groß ist die Vorfreude auf das – nun ja – „Heim-Spiel“?

Michael Heim: Sehr groß. Gemeinsam mit meiner Frau Peggy Steiner (Sopran) und meinen Freunden und Lokalmatadoren Riccardo Di Francesco (Bariton) sowie André Vitek (Klavier) präsentiere ich im wunderschönen Hohenemser Löwensaal „O sole mio“, unser Frühlingskonzert 2023. Es ist leider das einzige Konzert in diesem Jahr in Vorarlberg. Deshalb hoffe ich auch, dass ganz viele Freunde und Bekannte kommen, die ich so gerne einmal wiedersehen würde.

<p class="caption">Michael Heim, Wolfgang Ambros, Joesi Prokopetz und Heinz Zednik bei den Seefestspielen Mörbisch.</p>

Michael Heim, Wolfgang Ambros, Joesi Prokopetz und Heinz Zednik bei den Seefestspielen Mörbisch.

<p class="caption">Michael Heim mit Petra Haidvogel und Plácido Domingo beim Opernball in Wien.</p>

Michael Heim mit Petra Haidvogel und Plácido Domingo beim Opernball in Wien.

<p class="title">Zur Person: Michael Heim</p><p>Alter, Wohnort, Familienstand: 51, Berlin (geboren in Bludenz, aufgewachsen in Thüringen), verheiratet mit Peggy SteinerWerdegang: Studium Pädagogik, privates Gesangsstudium, zehn Jahre journalistisch tätig; erstes ­Bühnenengagement 1998 am Stadttheater St. Gallen, aktuell als „Siegfried“ zu sehen, im Juni 2023 Debüt bei den Münchner Philharmonikern mit „Carmina Burana“Hauptrollen (Auswahl): Ferrando (Cosi fan tutte), Tamino (Zauberflöte), Belmonte (Entführung aus dem Serail), Max (Freischütz), Eisenstein/Alfred (Fledermaus), Graf Balduin (Wiener Blut) uvm. Infos: www.michaelheim.info</p>

Zur Person: Michael Heim

Alter, Wohnort, Familienstand: 51, Berlin (geboren in Bludenz, aufgewachsen in Thüringen), verheiratet mit Peggy Steiner
Werdegang:
Studium Pädagogik, privates Gesangsstudium, zehn Jahre journalistisch tätig; erstes ­Bühnenengagement 1998 am Stadttheater St. Gallen, aktuell als „Siegfried“ zu sehen, im Juni 2023 Debüt bei den Münchner Philharmonikern mit „Carmina Burana“
Hauptrollen (Auswahl): Ferrando (Cosi fan tutte), Tamino (Zauberflöte), Belmonte (Entführung aus dem Serail), Max (Freischütz), Eisenstein/Alfred (Fledermaus), Graf Balduin (Wiener Blut) uvm. Infos: www.michaelheim.info

«Ich bin Teil der Friedensbewegung. Krieg ist immer schlecht, niemals gut. Es geht bei bewaffneten Konflikten nie um Gerechtigkeit, sondern immer ums Geschäft.»

Michael Heim kritisiert die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine

«Musik ist ein Wegweiser zu einer friedlichen und ­freien globalen Menschheitsfamilie. Zu einer Welt ohne ­Hunger, Bomben und Granaten. Auch wenn es noch ein sehr weiter Weg ist, jede Generation muss einen Schritt in diese Richtung gehen.» Michael Heim über den Zauber und die verbindende Kraft von Musik