„Es braucht heute schon bei Hochzeiten Security“

Brennpunkte, Jugendkriminalität, verkürzte Zündschnüre und Angriffe mit Bierkrügen: „In diesem Job sieht man alles“, sagt Berufsdetektiv und Sicherheitsdienstchef Uwe Marent. W&W sprach mit ihm über die Probleme im Land – und über Lösungen.
WANN & WO: In den Medien wurde kürzlich die Frage aufgeworfen, wie es um die Sicherheit im Ländle steht. Du sitzt bei dem Thema praktisch in der ersten Reihe, was meinst du: Wie sicher ist Vorarlberg?
Uwe Marent: Verglichen mit anderen Ländern sehr sicher. Aber man merkt schon, dass auch hierzulande vieles aggressiver wird. Die Sicherheits-
lage ist nicht mehr so gut, wie sie einmal war. Ich höre oft von älteren Leuten: „Früher haben wir Tür und Auto niemals abgesperrt. Das war nicht nötig.“ Das ist heute definitiv nicht mehr so.
WANN & WO: Gibt es auch „Hot Spots“ in Sachen Kriminalität? Gerade der Dornbirner oder auch der Feldkircher Bahnhof sind ja immer wieder in den Schlagzeilen.
Uwe Marent: Ich erschrecke auch immer wieder, was am Dornbirner Bahnhof so passiert. Und nicht nur da, es gibt einfach Plätze, an denen viel passiert. Aber wo sollen die Leute auch hin? Man kann mehr Polizei an diesen Treffpunkten stationieren und die Menschen so von dort wegbringen. Aber damit verlegt man das Problem auch nur, man löst es nicht. Was es braucht, ist, dass man auf diese Menschen zugeht, ihnen zuhört und sie unterstützt. Da sind Streetworker in meinen Augen ganz wichtig. Und auch wir versuchen, unseren Teil dazu beizutragen: Mir bricht kein Zacken aus der Krone, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und ihnen einmal zuzuhören.
WANN & WO: Das betrifft häufig auch jüngere Erwachsene und Jugendliche, eben weil es in Vorarl-berg wenig öffentliche Treffpunkte wie Jugendklubs für sie gibt. Würde so etwas in deinen Augen auch bei der Kiminalitätsprävention helfen?
Uwe Marent: Auf jeden Fall. Schließlich machen viele nur deshalb Blödsinn, weil sie Langeweile haben. In Dornbirn ist man ja jetzt an einer Skatehalle dran, das wäre super. Die Jungen wollen einfach einen Rückzugsraum haben, in dem sie Ruhe vor den Erwachsenen haben, in dem man ihnen nicht alles vorschreibt, sie ständig kontrolliert und in dem sie nicht gezwungen sind, Getränke zu zahlen.
WANN & WO: Viele fordern da ein Eingreifen durch den Staat. Wären aber auch Eltern und Familie gefordert?
Uwe Marent: Ja, natürlich. Kriminalität hat auch mit Erziehung zu tun. Wir bekommen im Sicherheitsdienst immer wieder den Eindruck, dass es vielen Eltern egal ist, wenn ihre Kinder etwas angestellt haben. Wenn wir einen Minderjährigen beim Ladendiebstahl erwischen und seine Eltern anrufen, ist die Antwort nicht selten: „Na und? Interessiert uns nicht.“ Das ist schlichtweg traurig.
WANN & WO: Berichten nach steigt gerade unter Jüngeren nicht nur die Diebstahl-, sondern besonders auch die Gewaltbereitschaft. Spürt ihr das hier auch bereits?
Uwe Marent: Das tun wir. Mit Fäusten, aber auch mit Waffen. Wobei da Waffen verwendet werden, die eigentlich keine sind: abgeschlagene Flaschen, Messer aus der Küchenschublade … Da hilft auch eine Verschärfung des Waffen-gesetzes nicht.
WANN & WO: Siehst du für das ganze Problem der nachwachsenden Kriminalität eine Lösung? Wer müsste da in deinen Augen reagieren?
Uwe Marent: Alle: die Politik, Streetworker, die Schulen, die Kindergärten, die Eltern. Das Phänomen ist ja nicht neu, das gab es bei uns schon: Wenn du keine gute Basis hast und in einen schlechten Kreis hineinrutschst, dann kommst du da meist nicht mehr raus.
WANN & WO: Während der Pandemie waren auch viele Ausgehmöglichkeiten weggebrochen. Hat sich da in deinen Augen viel angestaut?
Uwe Marent: In dieser Zeit hat sich die Zündschnur bei vielen verkürzt. Früher hat man bei einer Meinungsverschiedenheit oft einfach gesagt: „Lass mich in Ruhe“, und hat sich umgedreht. Heute explodieren die Leute sofort. Und gerade bei den jungen Leuten, die ihre Jugendzeit praktisch im Lockdown verbracht haben und jetzt erstmals fortgehen, merkt man: Die haben das gemeinsame Feiern nicht gelernt. Stattdessen haben sie Internetvideos konsumiert, in denen verrückte und auch gefährliche Sachen gemacht werden, denen sie nun nacheifern. Die Leute
verblöden daran.
WANN & WO: Oftmals kommt dann noch der Alkohol dazu.
Uwe Marent: Massen-Besäufnisse wie Zeltfeste sind für mich abartig.
Ich kann nicht nachvollziehen, wieso man dahin geht. Das hat in meinen Augen auch nicht viel mit Tradition zu tun, wenn man nur dort ist, um sich zu betrinken. Aus Sicherheitsdienst-Sicht sind wir da natürlich direkt betroffen. Wir sehen, wie die Gäste jegliche Scham verlieren, wie sie flaschenweise Schnaps in sich schütten und dann abstürzen. Und dann gefährden sie nicht nur sich, sondern oftmals auch uns.
WANN & WO: Inwiefern?
Uwe Marent: Es gibt immer wieder diese heldenhaften Personen, die sich aufführen wie die größten Schläger und wahnsinnig aggressiv sind. Die schlagen mit Bierkrügen nach uns. Auch wenn man die problemlos allein nach draußen befördern könnte, braucht man dafür vier Leute – praktisch an jedem Arm und Bein einen, damit sie sich, andere Gäste und uns nicht verletzen. Und da werden wir mittler-
weile nicht mehr nur bei großen, öffentlichen Festen engagiert, sondern sogar schon bei Firmen-
Weihnachtsfeiern oder Hochzeiten.
WANN & WO: Nicht nur der Bereich Weggehen und Feiern erfährt mehr Kriminalität: Vielerorts mehren sich gerade Ladendiebstähle – nicht aber von Kleidung oder Luxusartikeln, sondern schlichtweg von Lebensmitteln, weil den Menschen durch die Inflation Geld für Essen fehlt. Zeigt sich diese Entwicklung auch schon in Vorarlberg?
Uwe Marent: Ja, das spüren wir immer mehr. Und zwar durch alle Sozial- und Altersschichten hindurch. Wir haben schon Millionäre beim Diebstahl erwischt, Richter, Polizisten – und natürlich auch Arme. Letztere geben im Gespräch mit uns auch unumwunden zu, dass sie aus der Not heraus klauen.
WANN & WO: Wie ist das, wenn du diese Menschen erwischt – schließlich hast du sicher Empathie und Mitleid, andererseits ist es nun einmal dein Job, Firmen zu schützen?
Uwe Marent: Es klingt hart, aber es ist so: Das Mitleid muss man in dem Moment zurückschalten. Das ist aber natürlich nicht leicht. Man ist ja schließlich ein Mensch. Und ich würde auch gar nicht wollen, dass meine Angestellten oder ich in dem Bereich abstumpfen. Ich will am Morgen in den Spiegel schauen können.
WANN & WO: Daneben seid ihr auch im Bereich Zivil- und Strafrecht tätig – sprich, etwa wenn es um Ehebruch geht. Nimmt auch dieser Bereich zu?
Uwe Marent: Leider ja. Beinahe täglich haben wir Kunden, die meinen, dass ihr Partner sie betrügt und uns darauf ansetzen. Wir merken in allen Bereichen, dass die Arbeit zunimmt. Das ist toll fürs Geschäft, aber schlecht für die Gesellschaft.
WANN & WO: Du führst die Firma jetzt schon 15 Jahre. Wie hat sich die Lage in all der Zeit verändert?
Uwe Marent: Die Zahl der Einsätze steigt immer mehr. Früher hatte man immer wieder einmal Zeit zum Durchatmen, wenn die Zeltfest-Saison vorbei war etwa. Heute ist 365 Tage im Jahr durchweg Hochsaison. Es kommen auch neue Bereiche dazu, Cybercrime zum Beispiel. Und es wird handfester.
WANN & WO: Wie bist du damals zu dem Beruf gekommen?
Uwe Marent: Ich habe Computergrafiker und Schriftsetzer gelernt. Dann kam der Wehrdienst und danach blieb ich zehn Jahre beim Militär. Da habe ich nebenher schon ein bisschen Sicherheitsdienst gemacht und auch entsprechende Ausbildungen absolviert. Von dort bin ich in eine zivile Firma und schließlich in eine Milliardärsfamilie abgeworben worden, mit der ich über vier Jahre lang als Personenschützer durch die Welt gereist bin. Und danach habe ich meine Firma gegründet – anfangs als Ein-Mann-Betrieb geplant und mittlerweile mit 24 Vollzeitkräften, Zahl steigend.





Zur Person: Uwe Marent
Geburtstag, Alter, Wohnort: 29. Juni 1974, 48 Jahre, Dornbirn
Familienstand: „Zwei wunderschöne Prinzessinen (2 und 5 Jahre) und eine Traumfrau“
Firma: Berufsdetektei/Sicherheitsdienst Marent in Wolfurt, gegründet 2008, 24 Vollzeitangestellte,
Tätigkeiten u.a. Streifendienste, Veranstaltungsschutz, Objektkontrollen, Ermittlungen bei Ehebruch,
Versicherungs- sowie Wirtschaftsbetrug, Kaufhausüberwachung, Begleit- und Personenschutz