„Vom Liverpooler Student unter Paul McCartney zum Dornbirner Kunstrebell und Autor“

Martin E. Greil
Geburtstag, Wohnort:
7. Dezember 1970, Dornbirn
Familienstand:
Verheiratet mit Simone
Beruf:
Musiker, Aktions- und Soundkünstler, Dozent und
Schriftsteller
Bücher (Auszug): Die sieben Steine (2015), Annisas Flügel (2017), Ferdinand Baum & die Reise des Herrn Kleinmann (2017), Paul Durell – Mein Nachbar der Roboter (2023, siehe Bild)
Sonntags-Talk: Martin E. Greil aus Dornbirn kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken und spricht im W&W-Sonntagstalk über seine Zeit in England, Künstliche Intelligenz,
seine Faszination für Musik und seine neu entflammte Liebe für das geschriebene Wort.
WANN & WO: „Paul Durell – Mein Nachbar der Roboter“: Ihr neues Buch beschäftigt sich mit Künstlicher Intelligenz. Wie gehen Sie mit dem Computer als Konkurrenten zum Schriftsteller um?
Martin E. Greil: Ich habe es selbst versucht und meiner Frau Ergebnisse präsentiert. Kann eine Künstliche Intelligenz Bücher schreiben? Ja, sie kann. Und wir müssen uns dieser Technologie stellen. Auch wenn sie Gefahren birgt. Der Mensch kann aber in mehreren Ebenen denken, was die mathematisch noch eher oberflächliche KI vielleicht so noch nicht bewerkstelligt. Umso wichtiger ist es jetzt auch, sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen. Viele Menschen haben Angst um ihre Jobs. Eine KI kann dazu verwendet werden, Medikamente zu entwickeln. Oder das tödlichste Toxin, das man sich vorstellen kann.
WANN & WO: Besteht die Gefahr, dass der Mensch von einer KI ausgerottet werden könnte?
Martin E. Greil: In meinem Buch wird eine friedliche Koexistenz zwischen Robotern und Mensch beschrieben. Ich glaube aber aktuell nicht, dass wir in der gesamten Gesellschaft so weit sind, dass wir uns an einen Tisch setzen, und globale Probleme, die alle betreffen, gemeinsam lösen. Ich glaube eher, dass wir uns selbst ausrotten, aufgrund der unendlichen und unersättlichen menschlichen Gier, bevor uns die Maschinen den Garaus machen.
WANN & WO: Blicken wir auf Ihren Werdegang. Gitarrist, Musiker, Dozent, Happening-Künstler, TiK-Gründer, Kulturschaffender und jetzt Schriftsteller: Wann haben Sie Ihre Liebe zum Kunstschaffen entdeckt?
Martin E. Greil: Was mein Leben am besten beschreibt, ist wohl der Umstand, dass ich mich immer von meinen Interessen leiten haben lasse. Sich fließen, lassen und etwas zulassen. Nach Wien zu gehen, am AIM zu studieren, dann ein Stipendium für die von Paul McCartney gegründete Musik-Universität (Paul McCartney’s Fame School The Liverpool Institute for Performing Arts LIPA, Anmerk. d. Red.). Dann die Jahre in Liverpool, hin zur Musik-Produktion, zur digitalen Kunst. Dann das Angebot eines Lehrstuhls. Und die Rückkehr nach Vorarlberg. Meine Heirat, die Gründung des TiKs, als Plattform für subversive Kunst. Lehrtätigkeiten an der FH und viel Arbeit am Theater. Und jetzt meine wiederentdeckte Liebe zur Schriftstellerei.
WANN & WO: Haben Sie Paul McCartney persönlich kennen gelernt?
Martin E. Greil: Er war seit der Eröffnung des Instituts immer wieder vor Ort und hat auch Kurse gegeben. Natürlich bleibt so ein Superstar für unsereins unnahbar. Trotzdem hat mich seine enorme Präsenz von Anfang an in den Bann gezogen. Wenn er den Raum betreten hat, war er quasi erfüllt von ihm, oder besser gesagt von seiner alles einnehmenden Aura. Es ist unbeschreiblich, was für eine Energie von einem Menschen wie ihm ausgeht. Und ich habe die Zeit in Liverpool geliebt.
WANN & WO: Vom Student zum Dozent – wie haben Sie diesen Wandel vollzogen?
Martin E. Greil: Insgesamt bin ich über sechs Jahre an der Merseyside gewesen. Nach meinem anfänglichen Studium des Gitarrenspiels habe ich dann meinen Fokus auf Sounddesign und Produktion gerichtet. Und bin letztlich auch in die Rolle des Lehrenden geschlüpft. Ich habe die Zeit in England in vollen Zügen genossen. Egal ob die Musik, die politische Situation rund um die Unruhen unter der „Iron Lady“ Maggy Thatcher, meine künstlerische Ausrichtung hin zu Klangkunstgruppe Arp Arp und dem Colin Fallows Ensemble mit Aufführungen in England, Schottland und Irland, später dann auch mit der Aspara Company. Als dann mein Vater starb und ich den Nachlass regeln musste, kehrte ich der Insel dann den Rücken.
WANN & WO: Trotzdem sind Sie der Kunst treu geblieben. Was haben Sie aus England mitgebracht?
Martin E. Greil: Definitiv meine Liebe zur abstrakten und subversiven Kunst. So entstand auch die Idee, das TiK als Plattform für Subkultur im ehemaligen und alten Spielboden zu etablieren. Und ich war überrascht, wie viele Menschen aus Vorarlberg sich mit dieser Sparte identifizieren konnten. Aber auch hier herrschte viel Gegenwind und meine Zeit als kultureller Rebell, der permanent gegen politische oder bürokratische Windmühlen rennt, waren vorüber. Zumindest für mich persönlich. Dafür habe ich mich vermehrt dem Theater zugewandt und unzählige Bühnenproduktionen vertont. Durch meine Erfahrungen und dem Wissen, das ich mir inzwischen angeeignete hatte, konnte ich dem Schauspiel und Bühnenbild die passenden Klangbilder verpassen. Neben meiner Lehrtätigkeit an der Dornbirner Fachhochschule, wo ich das Erlernte ebenfalls weitergeben konnte, entdeckte ich erneut meine Liebe zur Literatur. Und so wie ich mich als Mensch weiterentwickelt habe, geschah dies auch in den Ausdrucksformen meines künstlerischen Schaffens.
WANN & WO: Sprache verändert sich laufend, auch durch Social Media. Glauben Sie, dass die Schriftstellerei aufgrund der Digitalisierung ins Hintertreffen gerät?
Martin E. Greil: Lesen und Sprachgebrauch sind ein Thema, mit dem sich Jugendliche schwertun, auch dadurch bedingt, dass sich die Aufmerksamkeitsspannen extrem verkürzt haben. Egal in welchem Bereich, schneller Konsum von Medien aller Art liegt im Trend, birgt aber auch die Gefahr der Oberflächlichkeit. Diesen Prozess kann man nur bremsen, wenn man sich selbst bremst. Und das wird umso wichtiger. Egal ob man sich Zeit für ein Buch in der Natur nimmt, oder das Zuhören wieder lernt. Und wir haben auch ein Hörbuch herausgebracht, das ganz gut angekommen ist.
WANN & WO: Abschließend: Die Welt ist bestimmt von negativen Schlagzeilen: Flüchtlingskrise, Corona, Klimakatastrophe, russischer Angriffskrieg auf die Ukraine, Teuerung und Inflation – wie schaffen wir es, den Karren aus dem Dreck zu ziehen?
Martin E. Greil: Gute Neuigkeiten interessieren die Menschen weniger. Aber ich halte es da mit Lennon und McCartney: „All You Need Is Love“. Und alles beginnt bei einem selbst. Wenn jeder an sich selbst schraubt, können wir auch ein Kollektiv werden, das den ganzen Herausforderungen gewachsen ist.
«Ich glaube eher, dass wir uns selbst ausrotten, aufgrund der unendlichen und unersättlichen menschlichen Gier, bevor uns die Maschinen den Garaus machen.»
Martin E. Greil über die Gefahr, dass der Mensch von einer KI ausgerottet werden könnte.

