„Die #metoo-Sache ist noch nicht vorbei“

Bettina Wechselberger, Direktorin der Musikschule Bregenz, im Talk mit WANN & WO über ihre Bestellung, die Musik, die Liebe und sportliche Erfolge.
WANN & WO: Sie singen derzeit die Hauptrolle in der Operette Giuditta, die in Götzis aufgeführt wird?
Bettina Wechselberger: Ja, heute Abend ist die letzte Vorstellung im Musiktheater Vorarlberg. Ich singe die Giuditta in Franz Lehars Operette. Es ist eine dramatische Partie mit vielen emotionalen Höhen und Tiefen. Es ist Richard Strauß drinnen, es ist Puccini drinnen, und es hat auch diesen eher der Oper zugeordneten, traurigen Schluss.
WANN & WO: Wie sind Sie zur Musik gekommen?
Bettina Wechselberger: Meine Eltern sind schon sehr musikalisch, mein Vater ist Berufsmusiker und natürlich wächst man dann in diesem Umfeld auf. Ich hab zuerst Klavier gelernt – da war ich eher mittelmäßig begabt und hab dann erst im Teenageralter zu singen begonnen. Dass ich eine Stimme habe, mit der man seinen Lebensunterhalt verdienen kann, freut mich sehr. Ich habe in Graz und in Lugano studiert, eine kurze Zeit auch in Wien.
WANN & WO: Sind Sie gut in Vorarlberg angekommen?
Bettina Wechselberger: Ja, absolut. Ich war ja von Berufswegen immer schon sehr viel unterwegs und bin gern offen für Neues. Ich hab mir gedacht, diese schöne Herausforderung nehme ich an und bin der Liebe wegen ins Ländle gezogen.
WANN & WO: Wegen Ihrer Bestellung als neue Direktorin der Musikschule hat es ja gewisse Diskussionen gegeben. Wie haben Sie das erlebt?
Bettina Wechselberger: Es ist natürlich nicht sehr angenehm, wenn man so etwas durchleben muss. Ich habe immer gesagt: Wenn ich nicht wüsste, dass ich für diesen Job so toll geeignet wäre, würde ich mich nicht bewerben und nicht von der Steiermark herziehen. Es gibt gute, strenge Kriterien für Musikschuldirektoren, die ich alle erfülle. Ich bin mittlerweile auch zur Vize-Vorsitzenden der Direktorenkonferenz gewählt worden. Ja, das war ein großes Thema, aber es ist zweieinhalb Jahre her und ich bin der Meinung, ich habe alle Kritiker eines Besseren belehrt. Es herrscht eine gute Stimmung in der Musikschule und in der Stadt. Es wird viel für Musik getan, Bregenz ist sehr kunstaffin. Deswegen macht es mir sehr viel Freude, hier zu arbeiten und zu leben. Das kulturelle Angebot ist sehr reichhaltig und die Musikschule kann einen großen Teil dazu beisteuern. Wir haben sehr viele Konzerte, unter anderem jetzt am 22. November, ein Benefizkonzert der Lehrenden. Da musizieren alle Lehrenden gratis für Schülerinnen und Schüler aus sozial schwachen Familien. Mir ist es besonders wichtig, dass alle Schichten Zugang zur Musik haben.
WANN & WO: Welche Berührungspunkte gibt es zwischen der Musikschule und traditionellen Musikvereinen, wie etwa der Blasmusik?
Bettina Wechselberger: Mich freut es ganz besonders, dass ich eine Kooperation der drei Blasmusiken in Bregenz auf die Beine gestellt habe: Die Stadtkapelle Vorkloster, die Bregenzer Stadtmusik und der Musikverein Fluh. Wir haben ein gemeinsames Jugend- und Kinderorchester und diese Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Es ist wichtig, dass die Musikschule in die Breitenbildung geht, nicht nur in die Talenteförderung.
WANN & WO: Der Liebe wegen nach Vorarlberg. Sie sind mit dem Nationalratsabgeordneten Reinhold Einwallner (SPÖ) liiert. Wie politisch ist euer Alltag?
Bettina Wechselberger: Genauso wie ich in Politik interessiert bin, ist er in Musik interessiert. Ich glaube, es ist in einer Beziehung ganz wichtig, dass man teilnimmt am Leben, am Job des anderen. Ein Paar muss nicht immer einer Meinung sein, aber wie ein Mensch die großen Zusammenhänge sieht, ist wichtig für die Beziehung – dass man eine Lebenseinstellung teilt.
WANN & WO: In so einer Beziehung kann es passieren, dass man in ein gewisses Kreuzfeuer gerät. Wie gehen Sie mit so etwas um?
Bettina Wechselberger: Wenn man sich in der Öffentlichkeit als Künstlerin oder Direktorin bewegt, ist man ab und zu gewissen Angriffen ausgesetzt. Aber ich glaube, wir machen alle einen guten Job und deswegen lässt es sich auch gut damit umgehen.
WANN & WO: Sportlich sind Sie auch. Sie haben einen Weltmeistertitel?
Bettina Wechselberger: Ja, ich bin Weltmeisterin im Dreifach Iron Man (11,4 km Schwimmen, 540 km Radfahren, 126 km Laufen) in der Mixed Staffel. Wir haben mit einer sehr guten Zeit gewonnen. Das war echt überraschend, aber eine große Freude. Mit Corona habe ich aufgehört, an Wettbewerben teilzunehmen, aber ich bin noch immer bei jedem Lauffestival im Land dabei. Dieser Ausgleich ist wichtig für mich. Wir gehen gerne Radfahren, Laufen. Für mich ist es, wie andere Leute vielleicht in der Freizeit Musik machen. Dabei kann ich die Ruhe genießen oder wenn ich große Rollen zu singen habe, auch Text lernen beim Laufen. Auch die körperliche Fitness ist beim Singen wichtig.
WANN & WO: Heute Abend ist die letzte Vorstellung von Giuditta. Wie zufrieden sind Sie mit dem Stück und dem Ensemble?
Bettina Wechselberger: Es ist unglaublich, welche Qualität auch in einer Low Budget Produktion erreicht werden kann, wenn alle zusammenhalten. Ich freue mich über die tollen Kritiken, die wir bekommen haben. Giuditta ist eine starke Frau, die so viel erlebt. Von der Ehefrau, die ausbricht, zur Geliebten und dann ist sie der schillernde Star in der Revue. Sie hat ganz viele Facetten und die Rolle hat mich fasziniert. Deswegen habe ich auch mit Freuden zugesagt.
WANN & WO: Hat man es als Frau im Kulturbereich leichter als im klassischen Erwerbsleben?
Bettina Wechselberger: Diese ganze #metoo-Sache, die vor einigen Jahren aufgekommen ist, ist nicht vorbei Viele Frauen haben tagtäglich noch damit zu kämpfen. Es ist unglaublich, dass Gleichberechtigung noch so weit weg ist, gerade bei der Bezahlung. Hätte ich mich bei der Musikschule als Mann beworben und wäre nicht plötzlich eine Frau Musikschuldirektorin geworden, hätte es keine Aufregung gegeben.
WANN & WO: Wie bewerten Sie die Entwicklung von Bregenz allgemein?
Bettina Wechselberger: Eine Stadt muss immer wachsen, sich immer weiterentwickeln. Die Zeiten sind nicht einfach, mit Teuerung, Krieg und all den anderen Problemen. Trotzdem glaube ich, dass man mit viel Energie und mit Mut in die Zukunft gehen sollte. Egal ob das in der Infrastruktur ist, in der Kultur oder in der Wirtschaft. Es braucht Leute, die mutig sind und Zukunftsperspektiven bringen.
«Ein Paar muss nicht immer einer Meinung sein, aber wie ein Mensch die großen Zusammenhänge sieht, ist wichtig für eine Beziehung – dass man eine Lebenseinstellung teilt.»
Bettina Wechselberger über ihre Beziehung mit dem Nationalratsabgeordneten Reinhold Einwallner.
«Hätte ich mich bei der Musikschule als Mann beworben und wäre nicht plötzlich eine Frau Direktorin geworden, hätte es keine Aufregung gegeben.»
Bettina Wechselberger zum Thema Gleichberechtigung.


Zur Person: Bettina Wechselberger
Alter, Wohnort: 44, Bregenz
Ausbildung, Beruf: Studium Darstellende Kunst, Gesang und Instrumentalpädagogik in Graz, Lugano und Wien. Direktorin der Musikschule Bregenz, Opernsängerin, Musiklehrerin
Hobbys: Laufen, Radfahren
