„Haben aufgehört, mit Wasser zu kochen“

Im Talk mit WANN & WO spricht KI-Startup-Gründer Marnus Flatz über Abenteuer in Afrika, Festival-Auftritte, den Terminator und sein KI-Modell „MOM“.
WANN & WO: Wie war deine Kindheit auf der Bregenzer Fluh, als Sohn des örtlichen Volksschuldirektors?
Marnus Flatz: Super glücklich, aber auch hart, weil auf der einen Seite haben die Eltern der anderen Kinder vielleicht gedacht, dass er mich bevorzugt. Und aus Angst, dass die anderen Eltern das denken könnten, hat er mich meistens etwas härter behandelt, als die anderen.
WANN & WO: Später hast du das Gymnasium abgebrochen und die Welt erkundet?
Marnus Flatz: Ich habe sehr schöne Erinnerungen an die Fluh, aber gleichzeitig habe ich manche Dinge sehr beengt wahrgenommen. Das Abenteuer hat mich gereizt. Ich habe in Afrika ein paar verrückte Dinge gemacht, wie zu Fuß das Okavangodelta zu durchqueren. Als letzte Mission wollte ich mit einem Einbaum-Kanu von Tansania entlang der Küste nach Kenia. Mit diesem bin ich innerhalb von einer Stunde am Strand abgesoffen. Ich bin dann halt mit dem Bus weiter nach Kenia, habe den Flieger genommen und war traurig. (lacht)
WANN & WO: Wolltest du immer Dinge machen, die davor keiner gemacht hat?
Marnus Flatz: Das war früher der Treibstoff für meinen Motor. Mittlerweile versuche ich mich weniger von meiner Eitelkeit manipulieren zu lassen. Man sollte Dinge nicht machen, um etwas zu beweisen, sondern um etwas zu bewirken.
Mit 18, nachdem ich aus Afrika zurückgekommen bin, wurde ich bei einem ORF Moderatorencasting im Landesstudio ausgewählt und so startete meine Radiozeit. Später kam mir dann die Idee, Radio komplett digital durch eine Software zu automatisieren. Das Vorhaben war ziemlich kühn und wir waren 2001 mit diesem SARP-Algorithmus fertig, als Steve Jobs seinen iTunes Shuffle Algorithmus noch für eine große Erfindung hielt. Er hatte dann im Vertrieb natürlich bessere Karten. (schmunzelt)
WANN & WO: Welche Rolle spielt Musik für dich?
Marnus Flatz: Als Rockmusiker war mein Alter Ego Aaron Roterfeld und wir haben zum Teil richtig große Gigs gespielt, auf dem M’era Luna Festival, Novarock oder Summerbreeze. Wir waren auch für einen Amadeus Award nominiert. Das waren spannende Zeiten.
WANN & WO: Wie kann man sich dein aktuelles KI-Projekt Castl bzw. MOM vorstellen?
Marnus Flatz: Bei MOM handelt es sich um eine Multi-Purpose-KI. Der Name MOM steht für „Magic of Mankind“. Ich bin seit 2018 an diesem Projekt dran, das wir nun mit Castl weiterentwickeln. Die Idee dahinter ist, dass OpenAI und auch die Google-KI trojanische Pferde sind, mit denen am Schluss natürlich Daten abgeholt werden. Die meisten Unternehmen haben keine Lust, mit ihren Daten fremde KI-Systeme intelligenter zu machen. Wir bieten Unternehmen an, dass sie im Keller quasi einen Super-PC haben, ihre Company-MOM. Die Daten bleiben im Unternehmen und machen nur das eigene Modell intelligenter.
WANN & WO: Was für Anwendungsbeispiele gibt es dafür?
Marnus Flatz: Unter anderem fokussieren wir uns auf den Immobiliensektor. MOM-KI kann Maklern helfen, neue Kunden zu finden und in der Verwaltung kann sie zum Beispiel die gesamten Daten über ein Hochhausobjekt mit relevanten Daten, Eigentümerbeschlüssen etc. gespeichert werden. Wenn dann ein Mitarbeiterwechsel stattfindet, kann der neue Mitarbeiter auf dieses Wissen zugreifen. Wenn ein CEO in den Ruhestand geht, kann er seinen Nachfolgern sein gesamtes Wissen über die KI weitergeben, mit der Sicherheit, dass nicht OpenAI, sondern nur seine eigene KI über dieses Wissen verfügt.
WANN & WO: Wie kann MOM ein Immobilienexposé erstellen?
Marnus Flatz: Nachdem unsere Raumsegmentierungs-KI die Bilder kategorisiert hat, werden diese angeordnet. Dann werden Geodaten für diese Immobilien und die Umgebung abgerufen, verknüpft und an die MOM-Textgenerierung übergeben. Diese ist speziell für Immobilien-Texte trainiert, erstellt einen Text und fügt ihn in das Layout-Konzept ein. Dasselbe wird auch für die Ausstattungsmerkmale sowie verschiedenste andere Daten gemacht und in wenigen Minuten erhalten wir ein fertiges und hochwertiges Exposé.
WANN & WO: Ist es möglich, dass KI Bewusstsein entwickelt?
Marnus Flatz: Nein. Nur der Mensch ist in der Menschenwelt zu Hause, hat Wünsche, Hoffnungen und Träume. Wir haben uns mit den Professoren Dörner und Döllerer von Max-Planck-Institut diesem Thema zugewandt: Wie können wir es schaffen, menschliche Entscheidungsfindung zu simulieren? Dabei haben wir schnell gemerkt: Wo kein Wille, da kein Mensch. Ein eigener Wille wäre die Grundvoraussetzung für all diese Weltuntergangsphantasien, die wir mit KI verbinden. Es gibt deutlich wahrscheinlichere Szenarien, wie uns KI schaden kann, als den Terminator.
WANN & WO: Müssen wir Angst um unsere Jobs haben?
Marnus Flatz: Es wird immer Fachkräfte brauchen, die der KI Input geben, ihren Output kontrollieren und bewerten. Aber wir müssen überlegen, wie wir damit umgehen. Die Diskussion über ethische Regulierungen von Systemen, die Ethik – Gut und Böse, Richtig und Falsch – nicht verstehen, ist Unsinn. Den Zuwachs der Produktivität des Einzelnen durch KI und Robotik müssen wir besteuern, womit sich ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzieren ließe. Wir brauchen in den Schulen noch mehr Computer und noch mehr IT-Unterricht. Wir lernen Latein in der Schule, aber keine Programmiersprache. Es gibt nur zwei universelle Sprachen auf der Welt: Musik und Programmiersprache.
WANN & WO: Was bringt die Zukunft mit KI für die Menschen?
Marnus Flatz: Vor wenigen Wochen bin ich zum zweiten Mal Papa geworden. Wenn ich meinen kleinen Sohn auf meinem Arm schaukle, sage ich immer zu ihm: Du wirst sehen, das wird super!
WANN & WO: Ist mit ChatGPT ein neues Zeitalter angebrochen?
Marnus Flatz: Das war der Moment, an dem die Menschheit aufgehört hat, mit Wasser zu kochen. Eine tiefgreifende Veränderung, die schon viele Jahre früher mit Deep Learning Mechanismen begonnen hat. Das Ergebnis eines neuronalen Netzes ist aber immer eine mathematische Funktion. Volkswirtschaftlich betrachtet ist es egal, ob die Produktivität von Menschen kommt oder von einem humanoiden Roboter mit KI. Die Wertschöpfung entsteht und kann bescheuert werden. Es ist im Sinne der Unternehmen, diese Steuern zu zahlen, wenn sie weiterhin Konsumenten haben wollen. Es ist ja eigentlich vollkommen paradox, dass ein Unternehmer mehr Steuern fordert. Das ist sicher das erste Mal, dass ich das mache, und hoffentlich das letzte Mal in meinem Leben. (lacht)
«Den Zuwachs der Produktivität des Einzelnen durch KI und Robotik müssen wir besteuern, womit sich ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzieren ließe.»
Marnus Flatz darüber, wie künstliche Intelligenz reguliert werden sollte.
«Es gibt deutlich wahrscheinlichere Szenarien, wie uns KI schaden kann, als den Terminator.»
Marnus Flatz über die Gefahren für die Menschheit durch künstliche Intelligenz.

Zur Person: Marnus Flatz
Alter, geboren, aufgewachsen: 47, Innsbruck, Bregenz Fluh
Ausbildung, Beruf: Autor, Keynote Speaker, Strategischer KI Berater, Unternehmer und Gründer KI-Startup CASTL AG
Rockmusiker: Pseudonym „Aaron Roterfeld“
Hobbys: Musik, Klettern
