Brief an Männer
Im September 2020 schrieben 16 weibliche und zehn männliche Pfarrgemeinderats-Vorsitzende aus 26 Wiener Pfarreien einen Brief an die Menschen in den Schaltpositionen der Erzdiözese. Beim Adressieren des Briefes wurde ihnen schmerzhaft bewusst, dass dies auch heute noch ausschließlich Männer sind. Der Brief ging also an lauter geweihte Männer, an lauter Kleriker, an keinen Laientheologen und an keine einzige Frau. Der im Brief beklagte Klerikalismus, das heißt die massive Abwertung der haupt- und ehrenamtlichen Laien und Laiinnen gegenüber den Priestern wirkt immer noch, nicht nur in Rom, seiner Hochburg, sondern auch – auf andere Art – in Wien und in Österreich. Die römischen Instanzen vertreten das Priester-, Laien- und Frauenbild des Kirchenrechts, das Kleriker und Nicht-Kleriker peinlich genau trennt und Letzteren keine Anteilnahme an der Entscheidung, Gestaltung und Leitung der Pfarrgemeinden zugesteht. Das provoziert in den Autoren und Autorinnen des Briefs große Irritation, Unverständnis, Frust und tiefen Ärger. Umso mehr, wenn die österreichischen Bischöfe dazu schweigen. In Wien und Österreich hingegen ist die Situation unglaubwürdig und widersprüchlich. Unglaubwürdig, weil die Kirche in vielem im Gestern hängen blieb. Und widersprüchlich, weil Worte und Praxis stark auseinanderklaffen. Es gibt sogar Kurse, in denen Laien und Laiinnen, die im Kirchenrecht verbotene Gemeindeleitung lernen und gelehrt bekommen.
Pfr. Helmut Rohner, Dornbrn