„Nur hier sein zählt“

Zurück in der alten, neuen Heimat: Qamar Abbas durfte nach seiner rechtswidrigen Abschiebung endlich zurück. Fotos: Sams
Seine Abschiebung sorgte für Proteste, nun ist Qamar wieder in Vorarlberg. W&W sprach mit ihm über den langen Weg zurück.
Seine Worte reichen nicht aus, um zu sagen, wie er sich fühlt – doch das müssen sie auch nicht, denn die Augen von Qamar Abbas sprechen Bände. Ob es ihm gut geht? „Nein“, sagt Qamar, „nicht nur gut, sondern fantastisch.“ Seit einigen Wochen ist der 30-Jährige wieder zurück in Vorarlberg. Dort, wo er sich über sechs Jahre hinweg einen Lebensmittelpunkt erschaffen hat, der viel mehr Zuhause wurde, als es sein ursprüngliches Zuhause mittlerweile für ihn ist – und von wo er vor gut dreieinhalb Jahren abgeschoben wurde.
„Möchte vergessen“
Dreieinhalb Jahre, auf die Qamar lieber nicht zurückblicken möchte,
wie er im Gespräch mit WANN & WO erzählt: „Die Zeit war sehr, sehr schwer.“ Allzu viel mag er darüber aber nicht nachdenken, sagt er: „Die Hauptsache ist, dass ich jetzt wieder da bin“, sagt Qamar, „den Rest möchte ich lieber vergessen.“ Dabei war die Zeit länger als nötig, denn eigentlich hätte er bereits im Oktober vergangenen Jahres zu-rückkommen sollen. Doch es gab offenbar Probleme in der Botschaft in Islamabad. „Als ich mein Visum abholen sollte, bin ich wieder weggeschickt worden. Ich weiß nicht, woran es lag, wo es hakte. Ich habe bis heute keine Erklärung bekommen“, erinnert sich Qamar.
Unbeschreibliche Hilfe
Mit so gut wie keinen sozialen Kontakten in diesem fremd gewordenen Land – so manch einer wäre daran wohl verzweifelt. Auch Qamar, hätte er nicht die Unterstützung aus Vorarlberg gehabt. „Familie Melzer und auch Norbert Loacker haben immer Kontakt mit mir gehalten. Worte sind zu klein, um zu beschreiben, wie sehr sie mir geholfen haben. Ohne sie wäre ich heute nicht hier. Das werde ich ihnen niemals vergessen“, sagt Qamar ernst. „Auch wenn ich dort allein war: Ich habe mich dank ihnen nicht eine Sekunde lang allein gefühlt.“ Die Harderin Laura Melzer, die in Wien lebt, war es dann auch, die ihn bei seiner Ankunft am Flughafen abgeholt hat. „Nicht in Worte zu fassen“, sei dieses Wiedersehen gewesen, erinnert sich Qamar mit leuchtenden Augen. Und auch Laura war ergriffen: „Wir haben damals schon immer mit Qamar mitgefiebert, ihn zu Terminen begleitet, uns zuhause beraten, etc. Seine rechtswidrige Abschiebung war dann ein Schlag ins Gesicht“, erklärt sie gegenüber WANN & WO. „Daraufhin haben sich die Sonntagsdemos, initiiert durch ‚Uns reicht’s – es reicht für alle‘, gegründet. Es war die einzige Möglichkeit, noch irgendetwas zu tun, nachdem unser Freund Qamar abgeschoben wurde. Dank vielen UnterstützerInnen, dem rechtlichen Beistand der Kanzlei Weh und nicht zuletzt Qamars Willen haben wir ein Happy End erzielen können.“ Dass Qamar wieder da ist, bedeute ihr und ihrer Familie viel. „Die letzten Wochen zeigen auch, dass er sich erneut super integriert hat und ein anständiger Mensch ist. Wir begleiten ihn gerne weiter und freuen uns auf eine Zukunft für Qamar im Ländle.“
Riesige Anteilnahme
Heute arbeitet Qamar wieder für seinen früheren Chef Marcel Lerch, allerdings nicht mehr in dessen
Pizzeria in Lustenau, sondern zunächst im Mr. French in Dornbirn. „Mein Chef hat mir nicht nur die Stelle gegeben, sondern auch ein Mitarbeiterzimmer. Und das nach all der Zeit“, sagt Qamar. „Ich bin ihm so dankbar für alles – so wie praktisch allen Menschen in Vorarlberg, die mich so gut aufgenommen haben und sich so für mich eingesetzt haben. Manchmal kann ich gar nicht glauben, wie viele Anteil an meiner Geschichte nehmen.“
Hoffen und Bangen
In Pakistan lebte Qamar bei seiner Mutter und seiner Ehefrau. Wie geht es den beiden Frauen damit, dass ihr Sohn und Mann jetzt wieder fort ist, tausende Kilometer weit weg von ihnen? „Es ist natürlich schwer für sie, genauso wie für mich“, gesteht Qamar. „Aber meine Mutter wünscht sich für mich das bestmögliche Leben und das ist nun einmal hier in Vorarlberg. Und meine Frau werde ich hoffentlich in einem Jahr endlich zu mir holen können.“ Wenn sein Aufenthaltstitel verlängert wird, jedenfalls. Denn der ist aktuell auf ein Jahr befristet. Im Februar 2023 muss Qamar also wieder hoffen und bangen, das weiß er jetzt schon: „Ich wünsche mir so sehr, dass ich diesmal
bleiben darf.“

Wiedersehen nach langer Zeit: Laura Melzer holte Qamar vom Flughafen ab. Fotos: privat

Eines der ersten Dinge, die Qamar zurück in Vorarlberg gemacht hat, war rodeln gehen.
„Und Familie Melzer besuchen“, fügt er hinzu.