„Sahen das tote Kalb schon von weitem“

Die AktivistInnen des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) haben abermals verdeckt die umstrittenen Kälbertransporte von Österreich nach Spanien begleitet – und dabei Erschreckendes festgehalten. Ann-Kathrin Freude schilderte WANN & WO die haarsträubenden Erlebnisse.
Es ist kurz vor Mitternacht in Salzburg. Einige der Rinder stehen schon seit Stunden eingepfercht in den Lkw-Anhängern. In das Rufen der jungen Tiere nach ihren Müttern mischt sich schließlich das Knirschen von Reifen auf Kies: Die Sattelzüge setzen sich in Bewegung. Und ohne, dass die Fahrer es mitbekommen, auch die Autos der TierschützerInnen, die ihnen auf den Fersen sind.
In einem sitzt auch Ann-Kathrin Freude, Aktivistin des VGT Vorarlberg. Sie wird den Transport der auch aus Vorarlberg stammenden Rinder von Salzburg über Bozen bis ins spanische Vic begleiten. „Wir wollten genau diese Strecke nochmals dokumentieren, da es sich um die weiteste Strecke handelt, die Kälber von Österreich aus exportiert werden und weil die Regierung diesen Sommer genau diese Strecke im neuen Tiertransport-Gesetz nochmals festgeschrieben hat“, erklärt Ann-Kathrin gegenüber WANN & WO.
Ruhezeiten missachtet
Und wie sie erwartet hatten, stellten die Aktivisten auch gleich erste Gesetzesverstöße fest: „In Bozen hätte der Transport 24 Stunden Pause machen müssen“, sagt sie. „Doch in allen Fällen wurde diese Pause auf etwa 16 Stunden abgekürzt. Auch die nach Abschluss des Transportes notwendigen 48 Stunden Aufenthalt am Bestimmungsort in Vic werden sogar gänzlich ignoriert –die Tiere fahren bereits nach wenigen Stunden weiter zu Masthallen in der Region.“
Kalb in Kadavertonne
Doch das sollte noch nicht die schlimmste Entdeckung für die TierschützerInnen bleiben, wie Ann-Kathrin weiter berichtet. „Wir sind nachts von der Mast zurück zur Sammelstelle gefahren, um zu schauen, ob wieder ein Kalb in der Kadavertonne liegt.“ Leider sollten die AktivistInnen Recht behalten: „Schon bevor wir die Tür aufschoben, haben wir das kleine, weiße Geschöpf am kalten Boden liegen sehen. Ein furchtbares Gefühl, das die Angst, entdeckt zu werden, komplett überdeckt. Das Herz schlägt einem bis zum Hals und man möchte bitterlich weinen, weil es so furchtbar ist, dass dieses erst 32 Tage alte, zarte Tierkind sterben musste, nur weil es ein paar wenige Menschen für nötig halten, Kälber aus Profitgründen so weit zu transportieren.“
Solche Kadavertonnen gibt es in Spanien und Italien an so gut wie jedem Betrieb, schildert Ann-Kathrin, „damit die toten Tiere von dort direkt abgeholt werden können. Der Anblick und der Gestank, der einem von halb verwesten Tieren entgegen- schlägt, ist schrecklich. Bei Schweinen ist es besonders schlimm, da sie meist voller blutiger Stellen sind, aus denen bereits Maden hervorquellen.“
Blanke Gewalt
Aber auch die Tiere, die den Transport überleben, müssen leiden, sagt die Aktivistin: „Wir dokumentierten um vier Uhr nachts die Ankunft und das Abladen unserer Kälber. Obwohl wir weit entfernt waren, konnten wir das laute Peitschen der Treibstöcke auf den Kälbern hören. Besonders am Anfang war ein Fahrer alleine und konnte die Kälber wohl nicht effektiv aus dem Transporter treiben, woraufhin er die Kälber unfassbar schlug, auch ins Gesicht.“ Für die Tierschützerin ein inneres Ringen, nicht einzugreifen, „aber es war wichtig, zu zeigen, dass das passiert, damit sich etwas ändert. Denn die Gegenseite behauptet gerne, dass vor allem dieses Transportunternehmen besonders professionell und gut mit den Tieren umgehe.“ Auf Filmmaterial sieht man sogar, wie die Jungtiere mit Füßen und Knien ins Gesicht getreten und vom Transporter gestoßen werden. „Die Kälber haben noch Stunden später im Stall geschrien.“
Umdenken gefordert
In der Verantwortung sehen die Tierschützer aber nicht nur die Transporteure, sondern auch die Milchproduzenten – und KonsumentInnen: „Österreich und vor allem Vorarlberg, Tirol und Salzburg, haben sich stark auf die Milchwirtschaft fokussiert. Dabei werden die Söhne von Milchkühen meist als Belastung empfunden, weswegen sie entweder schon sehr früh getötet, oder exportiert werden“, so Ann-Kathrin. „Um das zu ändern, muss dringend eine Systemänderung begonnen werden. Weg von der exorbitanten Milchproduktion, hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft. Wenn wir in der Klimakrise noch die Kurve kriegen wollen,
müssen wir das sowieso.“

Aus ganz Österreich – auch aus Vorarlberg – werden Kälber über die fatale Route nach Spanien transportiert. Fotos: VGT.at

Dieses Kalb starb beim Transport. Es wurde nur 32 Tage alt.

Diese toten Jungbullen entdeckten die AktivistInnen neben einer Masthalle in Italien.

Dranbleiben, aber nicht entdeckt werden: ein Balanceakt für die AktivistInnen.

A.-K. Freude