„Die Gefahr wird unterschätzt“

Der Neuschnee der ­vergangenen Tage lockt viele Wintersportler ins freie Gelände. Doch die Gefahr von Lawinenabgängen – wie zuletzt in Lech – ist groß, weiß die Tourenführerin Verena Jochum.

Am vergangenen Montag ging in Lech die dritte Lawine innerhalb weniger Wochen ab. Das Schneebrett verschüttete eine unter dem Rüfikopf liegende Skipiste. Personen kamen bei dem Zwischenfall glücklicherweise nicht zu Schaden. Doch das Risiko weiterer Abgänge ist hoch, betont Verena Jochum, Tourenführerin und Bereichsleiterin Sport der Unfallpräventionsstelle „Sicheres Vorarl­berg“: „Bislang hatten wir einen klassischen schneearmen Winter. Das führt dazu, dass die Lawinengefahr grundsätzlich unterschätzt wird. Durch die geringe Schneelage werden häufiger Abfahrten in Rinnen und Mulden mit Triebschneesammlungen gewählt. Dabei können Schwachschichten der Altschneedecke leichter gestört werden. In Grashängen kommt es bei milden Temperaturen zudem vermehrt zu Gleitschnee-lawinen.“

„Gut vorbereiten und nie alleine ins freie Gelände!“

„Für einen Ausflug ins freie Gelände ist die richtige Ausrüstung unumgänglich“, stellt Verena klar. Doch gut ausgerüstet zu sein, reicht alleine nicht aus – denn auch der korrekte Umgang mit der Notfall­ausrüstung will gelernt sein. Um das Risiko weiter zu minimieren, ist auch eine gute Vorbereitung wichtig: „Bewege ich mich im freien Gelände, sind die aktuellen ­Verhältnisse – Lawinenlagebericht und Wetter – zu prüfen. Auch empfiehlt es sich, im Vorfeld eine genaue Tourenplanung zu machen. Abseits der gesicherten Pisten ist zudem ein defensives Verhalten angesagt. Eine weitere Grundregel: Niemals alleine ins freie Gelände fahren!“

„Adrenalin und Stress“

Heute gibt Verena ihr Wissen an andere Wintersportler weiter. Zu Beginn ihrer eigenen „Skitouren-Karriere“ nahm aber auch sie selbst an einem Lawinenkurs teil. Und auch wenn es sich nur um ein fiktives Szenario handelte – die Erfahrung hinterließ bei ihr einen bleibenden Eindruck: „Wir haben ein Szenario mit mehreren Verschütteten geübt und wir TeilnehmerInnen mussten uns selbst organisieren. Das Adrenalin stieg bei allen spürbar an und es wurde schnell unübersichtlich. Ich war zur LVS-Suche eingeteilt und folgte den Anweisungen des Geräts. Irgendwann drehte ich mich mit dem LVS nur noch im Kreis, wusste aber nicht weshalb.“ Wie sich später herausstellte, hatte die Person, die das Kommando übernommen hatte und inmitten des Lawinenkegels stand, ihr LVS-Gerät noch auf „Senden“ gestellt. „Dieser Vorfall zeigte mir sehr eindrücklich, wie schnell man in einer Stresssituation auf wesentliche Dinge vergisst. Im Ernstfall hätte das wertvolle Zeit zur Rettung der Verschütteten gekostet. Daher ist das regelmäßige Üben aller Abläufe so wichtig!“

„Habe selbst erlebt, wie schnell es gefährlich werden kann“

Von einer Lawine begraben zu werden, blieb der begeisterten Tourengeherin bislang glücklicherweise erspart. Doch bei einer Skitour in der Silvretta hat sie selbst schon erlebt, wie schnell sich eine scheinbar sichere Situation im Backcountry zuspitzen kann: „Wir waren als eine der ersten Gruppen unterwegs. Die Verhältnisse waren recht sicher. Der letzte Hang vor dem Gipfel war sehr steil und wir beschlossen, entsprechende Entlastungsabstände einzuhalten. Dann sahen wir, dass eine große Gruppe ebenfalls in den Hang einstieg“, erinnert sie sich. „Plötzlich befanden sich mindestens 15 Personen im Hang, größtenteils ohne Abstände. Da wurde uns etwas mulmig. Abfellen und abfahren hätte aber zu zusätzlicher Belastung geführt und war deshalb zu gefährlich. Also steigerten wir das Tempo, um rasch aus dieser Situation zu kommen. Am Ende ist zum Glück nichts ­passiert.“

<p class="caption">Vorbereitung für den Notfall beim Lawinenkurs. Fotos: Sicheres Vorarlberg/Studio 22</p>

Vorbereitung für den Notfall beim Lawinenkurs. Fotos: Sicheres Vorarlberg/Studio 22

<p>Verena Jochum</p>

Verena Jochum

Sicher im freien Gelände

Die nötige Ausrüstung

• LVS-Gerät

• Sonde

• Schaufel

• Erste-Hilfe-Paket

• Biwaksack

• Nie alleine ins freie Gelände fahren!

Verhalten im Lawinennotfall

1. Beobachten und schauen, ob man den Verschwindungspunkt des/der Betroffenen sieht (Anzahl?)

2. Koordination im Team
(Wer übernimmt welche Aufgabe?)

3. Notruf absetzen

4. LVS-Suche starten

5. Sondieren

6. Schaufeln (mit dem Ziel, möglichst schnell das Gesicht des Betroffenen freizulegen)

7. Erste Hilfe leisten

Besonderheiten bei einem
Lawinenunfall

• Prüfen, ob eine Atemhöhle vorhanden ist (falls Schnee im Mund dann keine Atemhöhle)

• bei Atemstillstand Reanimation mit Beatmung beginnen

• Betroffene Person so wenig wie ­möglich bewegen

• Wärmeerhalt sicher stellen

• Nach einer Verschüttung sollte die betroffene Person nicht selbständig abfahren.

Weitere Informationen zum Thema „Sicher im freien Gelände“ unter:
www.sicheresvorarlberg.at

www.alpenverein.at

www.naturfreunde.at