„Ein Fehler im System“

Am Donnerstag zeigte der grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz in der inatura in Dornbirn seine Kurzdokumentation „Tierleid auf Rädern“. Im Anschluss diskutierte eine Expertenrunde das Thema. WANN & WO war dabei.
Vier Millionen Tiere werden in der EU transportiert. Täglich. Auf das Jahr hochgerechnet entspricht das rund 1,6 Milliarden (!) Kühen, Schweinen, Hühnern, Hasen und anderen Geschöpfen. Vor allem Langstreckentransporte quer durch Europa sind für die Tiere eine unfassbare Tortur. Über Stunden und Tage können sie sich kaum bewegen, müssen ohne Wasser und Futter auskommen, stehen in ihren eigenen Fäkalien und sind teils extremen Temperaturen ausgesetzt.
Für seinen Film „Tierleid auf Rädern“ dokumentierte der steirische Bio-Bauer und EU-Abgeordnete der Grünen gemeinsam mit anderen Tierschützern die Transporte, begleitete die Polizei zu Kontrollen und folgte den Lkw bis in die südeuropäischen Häfen, wo die Tiere – auch aus dem Ländle stammend – auf Schiffe verladen und in Drittländer wie die Türkei, Marokko oder den Libanon weitertransportiert werden.
Podiumsdiskussion
LeserInnen der Jungen Zeitung ist die Thematik längst bekannt. Regelmäßig hat WANN & WO in den vergangenen Jahren über die schrecklichen Transporte berichtet. Doch wie kann die Qual der Tiere endgültig beendet werden? Darüber diskutierte Waitz im Anschluss an den Film vor rund 60 interessierten Besuchern mit der grünen Landtagsabgeordneten Christine Bösch-Vetter, Juristin Patricia Patsch, Schweinemäster Markus Gstach, dem Obmann des Rinderzuchtverbands Gerhard Fruhauf sowie Landesveterinär Norbert Greber.
„Massive Umstellungen“
Für Waitz liegt der „Fehler im System“, es brauche dringend „massive Umstellungen“ auf mehreren Ebenen. Die Liste seiner Forderungen ist lang: In Österreich brauche es eine Herkunftskennzeichnung des Fleisches in den Gasthäusern sowie eine Umstellung aller öffentlichen Versorgungsbetriebe auf ein regionales (Bio-)Angebot. Ganz wesentlich sei es zudem, den Tourismus an Bord zu holen, da viele Gäste des guten Essens wegen nach Österreich kommen würden. Auf europäischer Ebene fordert der EU-Abgeordnete eine Verschärfung der Gesetze, vor allem aber auch die Durchsetzung bestehender Vorgaben sowie „ein echtes Engagement bei den Kontrollen auf der Straße und vor Ort – von Finnland bis nach Bulgarien. Und am besten wäre es, überhaupt auf Transporte zu verzichten, wo dies möglich ist.“
Laut Waitz brauche es auch eine Umstellung der gemeinsamen Agrarpolitik: „Europäisches Fördergeld soll europäischen BäuerInnen zugute kommen, die europäische Lebensmittel für eine europäische Bevölkerung herstellen – und das in einer Art und Weise, die kleinstrukturierte, mittelständische Betriebe am Leben lässt und das Geld nicht irgendwelchen internationalen Finanzinvestoren oder Großkonzernen in den Rachen wirft.“
Welche weiteren Lösungs-ansätze die DiskussionsteilnehmerInnen vorbrachten, lesen Sie rechts.

Thomas Waitz

Der QR-Code führt zu Thomas Waitz’ Kurzdokumentation „Tierleid auf Rädern“ – mit Vorwort von Tierschutzminister Johannes Rauch. Der Film ist nichts für schwache Nerven, auch wenn Waitz selbst betont: „Die wirklich schlimmen Bilder haben wir gar nicht gezeigt.“ Foto: Ricarda Pfingstl

„Tiere sind keine Ware“
„Konsumenten müssen viel mehr aufgeklärt und informiert werden. Woher kommt das Fleisch? Wo gehen die Tiere hin? Ich finde es gut, dass es viele Betriebe gibt, die ihre Kälber hier halten. Dennoch werden immer noch tausende Vorarlberger Kälber weitertransportiert. Und jedes Kalb ist eines zu viel. Sie sind keine Ware – sie sind Lebewesen. Deshalb: Konsum reduzieren und Fleisch ab Hof kaufen. Zwei Euro mehr, dafür einmal ein Schnitzel weniger.“ Patricia Patsch, Juristin und Tiertransportexpertin

„Frühe Sensibilisierung“
„Ich habe in Lustenau in den vergangenen fünf Jahren die Schüler- und Kinderverpflegung umgestellt. Nun gibt es wöchentlich nur rund eineinhalb Mahlzeiten mit Fleisch. Gibt es Kalbfleisch, kommt dieses von jenem Bauer, der auch die Milch liefert. Den Hof können die Kinder auch besuchen, da passiert eine ganz wesentliche Sensibilisierung. Alles andere wird regional eingekauft. Da haben alle was davon.“ Christine Bösch-Vetter, Landtagsabgeordnete Grüne Vorarlberg

„KonsumentInnen ehrlich mit ins Boot holen“
„Wir müssen die KonsumentInnen ehrlich mit ins Boot holen. Gesetze können noch so gefinkelt sein, es wird immer Probleme und Ausweichmöglichkeiten geben. Wenn der Konsument das Essen aber insgesamt mehr schätzt und dafür auch mehr zu zahlen bereit ist – und ich will dabei niemandem seinen Urlaub wegnehmen – werden viele Probleme gelöst.“ Markus Gstach, Geschäftsführer Gstach Schweinemast

„Degressive Förderungen“
„Tiertransporte sind kein isoliertes Problem, sondern eines, das in einem ganzen System vernetzt ist. Und immer wenn Systeme größer werden, kommt irgendwann der Kipppunkt. Dann werden die Nachteile überproportional groß. Daran krankt die ganze EU auf vielen Ebenen. Da muss der Ansatz passieren. Ein Zauberwort könnte lauten: Stark degressive Förderungen. Die Kleinen bekommen viel und je mehr sie produzieren, desto weniger erhalten sie.“ Norbert Greber, Landesveterinär Vorarlberg

„Rechtzeitige Vorgaben“
„Das Wichtigste ist für mich der Klimawandelaspekt, dem wir eigentlich alles unterordnen müssen. In puncto Tierwohlstandards bitte ich um Vorgaben: Die Landwirtschaft ist da nicht ganz flexibel, aber doch erreichbar. Und was Tierzucht angeht: Auch diese Anforderungen rechtzeitig deponieren, denn wir haben doch einen Generationenintervall in der Rinderzucht von fünf Jahren. Wir brauchen somit also zehn bis 15 Jahre.“ Gerhard Fruhauf, Obmann von „Vorarlberg Rind Zuchtverband e Gen“