Nahtod-Erfahrung: Wie Nina auf die „göttliche Ebene“ fand

Nina hat ihr Erlebnis in „Digital Art“ umgesetzt und so verarbeitet.
Am 15. Juni 2021 feierte Nina (60) aus Bregenz ihren zweiten Geburtstag. Bei einer ihr bekannten Flusswanderung ist sie eine Schlucht hinuntergestürzt und hat mit viel Glück überlebt. WANN & WO erzählt sie von ihrem schweren Schicksalsschlag.
Nina hat den Tag, der ihr Leben verändert hat, als außergewöhnlich schönen und heißen Sommertag in Erinnerung. Es herrschte traumhaftes Wetter, während sie mit zwei Sportfreunden entlang eines Flusses im Bregenzerwald wanderte. Sie war bereits unzählige Male als „Naturguide“ diese Strecke gegangen und konnte daher Gefahren und Grenzen gut abschätzen. Die Strecke sei ein wenig anspruchsvoll gewesen, jedoch traumhaft idyllisch. „Wir hatten Spaß, und die schöne Atmosphäre hat uns traumhafte Bilder geschenkt“, sagt sie. Während einer kleinen Pause haben sie sich zu dritt in einem Becken knietief abgekühlt. Ihre beiden Begleiter standen nicht weit entfernt mit dem Rücken zu ihr und betrachteten den weiteren Streckenverlauf. Dann geschah der unfassbare Augenblick, der über Ninas Leben und Tod entschied. Auf der Stelle, an der sie stabil stand, rutschte der Untergrund etwas weg und es erfasste sie plötzlich eine starke, von oben nicht sichtbare, Unterströmung und riss ihr die Füße weg.
„Mein Verstand
schaltete sich ab“
„Schneller als ich denken konnte, fiel ich kopfüber ins Wasser. Ich dachte, das war’s, so verlasse ich diesen Planeten“, erzählt Nina. Die schnelle Strömung riss sie sofort mit sich, um Hilfe zu rufen hatte sie keine Zeit. Innerhalb von Sekunden verschluckte der Wasserschlund sie. Das Letzte, woran sich Nina erinnerte, bevor die rasanten Kräfte sie mitzogen, waren die zwei Felsen vor ihr, mit einem schmalen Spalt in der Mitte. „Ich weiß noch, dass ich meinen Körper intuitiv drehte, damit ich eventuell seitlich hindurchgezogen würde“, erklärt sie. Widerstandslos und ohne Angst übergab sie sich ihrem Schicksal. Innerlich war sie sehr ruhig und überließ die Führung ihrer Seele, beschreibt sie den Augenblick. Als sie fast durch den Spalt war, sah sie mit Entsetzen, dass sie gleich drei bis vier Meter über die Felsen in ein Mini-Wasserbecken mit einem Durchmesser von 1,5 Metern stürzen würde. „Ich wusste nicht, ob ich ohnmächtig geworden bin. In so einem Moment gehen Raum und Zeit irgendwie verloren. Danach befand ich mich vollkommen auf einer ‚göttlichen Ebene‘“, offenbart sich Nina.
Die Momente danach
Instinktiv legte sie im freien Fall ihre Arme schützend über ihren Kopf. Durch den Sturz kopfüber kam es dementsprechend zu schlimmen Wunden, Zerrungen und Prellungen. Da sie sich dessen, was passiert ist, nicht bewusst war, verspürte sie weder Angst noch Schmerz. „Mein Verstand konnte es weder verstehen noch verarbeiten. Das ging viel zu schnell. Zum Glück war da ein kleines, schmales, tiefes Sprudelbecken, das mich empfing“, erzählt sie. Das Nächste, woran sie sich erinnern konnte, war, dass sie mit ihrem ganzen Körper unter Wasser, unter einem Felsen, einem Baumstamm und vielen weiteren Felsen eingeklemmt war. Der starke Strudel zog sie in Richtung des nächsten Wasserfalls. „Ich konnte mich physisch nicht alleine befreien. Als die Jungs merkten, dass ich abgestürzt bin, kletterten sie sofort hinunter“, sagt Nina. Ein weiterer Faktor, der ihre Rettung erschwerte, war die Tatsache, dass man sie nicht erkennen konnte, da sie unter Wasser gedrückt wurde. „Plötzlich sah ich einen Lichtblitz von oben. Das Licht umhüllte mich und löste in mir einen reinen, sanften und ruhigen Frieden aus“, beschreibt sie den Augenblick. In dieser lebensbedrohlichen Situation hatte sie ein intensives Erlebnis – eine sogenannte Nahtod-Erfahrung. Danach folgte ein Filmriss. Eine ihr unbekannte Kraft zog sie aus dem Wasser, sie beschreibt, dass sie regelrecht aus dem Wasser katapultiert wurde und auf einem Stein landete. Der Aufprall auf ihren Brustkorb drückte das ganze Wasser aus ihrer Lunge. Als ihre Begleiter bei ihr waren, konnte Nina anhand ihrer entsetzten und schockierten Blicke realisieren, welche Verletzungen sie erlitten hatte.
Der Heilungsprozess
Als sie sich mit aller Kraft zum Auto retten konnte, brachte man sie direkt ins Krankenhaus. Die Ärzte meinten zu ihr, es sei ein Wunder, dass sie keinen Schädelbasisbruch, offene Knochenverletzungen und schwerste innere Verletzungen erlitten habe. Nach einem ersten Check und einem MRT schien alles gut. Monate später stellte sich heraus, dass durch den tragischen Unfall ihr Becken und ihre Wirbelsäule verletzt worden waren. Es folgten unzählige Behandlungen, die bis heute andauern. „Ich habe nun langfristige Schäden“, fügt sie hinzu. Die Woche nach dem Unfall beschreibt sie als die schönste Woche ihres Lebens. Sie verspürte inneren Frieden und hatte keine Angst mehr vor dem Tod. Sie fühlt sich nach dem Unfall neu mit sich selbst verbunden. Durch diese Grenzerfahrung erhielt ihr Leben eine völlig neue Bedeutung. Anderen möchte sie durch diese Erfahrung mitteilen: „Das Leben ist nicht unendlich. Also genieße es in vollen Zügen und nutze deine restliche Lebenszeit!“ Sie betrachtet rückblickend dieses Ereignis als wahres „Geschenk“. „Ich habe das Schlimmste erlebt, das einem Menschen passieren kann, indem ich fast gestorben bin. Aber ich habe eine zweite Chance erhalten, sagt Nina. Durch Kunst und ihre guten Freunde konnte sie wieder ins Leben zurückfinden und geht mit völlig neuer und dankbarer Energie durch das Leben. SK

Trauma-Verarbeitung mit „Digital Art“
Der Unfall in der Schlucht und die daraus resultierenden Konsequenzen haben bei der Vorarlbergerin Spuren hinterlassen. Deshalb hat Nina begonnen, ihre Nahtod-Erfahrung in kunstvollen digitalen Bildern zu verarbeiten. Durch die Kunst und gute Freunde fand sie nach dem schweren Schicksalsschlag wieder zurück ins Leben. Das genießt sie nun in vollen Zügen und betrachtet es als „wahres Geschenk“. Fotos: handout/privat; Shutterstock