PRIDE: Wie offen ist Vorarlberg?

Wie offen und tolerant ist Vorarlberg?
Emanuel: „Vorarlberg ist so divers wie seine Bevölkerung. Es gibt Personen, die sich mit Themen wie Geschlechtsidentität als soziale Kategorie, zum Beispiel im Hinblick auf Selbstwahrnehmung, Selbstwertgefühl oder Rollenverhalten, auseinandersetzen – es gibt aber auch Menschen, denen ausschließlich traditionelle Lebensentwürfe bekannt sind. Tendenziell sind die Lebensentwürfe in urbanen Räumen, also in Großstädten, diverser und unterschiedlicher möglich. Im Vergleich zur Stadt Wien ist Vorarlberg sehr konservativ geprägt, was Rollenbilder und Lebensentwürfe angeht.“
Was sollte sich noch verändern?
Emanuel: „Bildung und Information sind in meinen Augen die wichtigsten Elemente, um eine aufgeklärte Gesellschaft zu ermöglichen. Eine Weiterentwicklung aus dem vorherrschenden, eingeschränkten, binären Weltbild, in dem es nur Schwarz oder Weiß gibt, ist auf vielen Ebenen wünschenswert. Veränderungen sind somit im Bildungswesen wichtig, wie etwa Informationskampagnen für unterschiedliche Zielgruppen mit entsprechender Anpassung an Alter und Bildung. Denn meist fürchtet oder lehnt man das ab, was man nicht kennt.“
Wie sicher können sich Mitglieder der LGBTQIA+ Community fühlen?
Emanuel: „Es gibt ein kriminelles Gewaltpotenzial in der Bevölkerung gegen Menschen, die nicht einem binären, heteronormativen Weltbild entsprechen. Sichtbare Zeichen der queeren Community, wie etwa Regenbogenfahnen und -bänke, werden angezündet und zerstört, Menschen, darunter auch Freunde von mir, werden tätlich angegriffen und ins Krankenhaus geprügelt. Das passiert in Vorarlberg. Das ist eine Facette unserer Gesellschaft. Ich persönlich fühle mich sicher – dennoch gibt es diese Bereitschaft zur Gewalt und ich frage mich, woher dieser Hass und dieser gewalttätige Antrieb kommt.“
Wie kann man sich engagieren?
Emanuel: „Es ist recht einfach und macht Spaß. Bleiben wir neugierig und liebevoll im Umgang miteinander: Wie sieht deine Welt eigentlich aus? Man kann ganz konkret bei Veranstaltungen wie dem CSD als Ally, also als verbündete Person, dabei sein: Sich informieren, Fragen stellen, mitfeiern. Einschreiten, wenn unreflektierte Vorurteile verbreitet werden. Anderen von eigenen Erfahrungen mit queeren Personen erzählen – das baut Distanz und Ängste ab. Wir sind normaler und vielleicht auch langweiliger, als uns nachgesagt wird.“
Juni ist Pride Month – auch im Ländle. Doch wie offen ist Vorarlberg eigentlich? Können queere Menschen sich hier sicher fühlen? Und was sollte sich noch verändern? WANN & WO hat sich in der Community umgehört.
Strahlende Gesichter, Menschen, die fröhlich mit Regenbogenflaggen durch die Straßen der Bregenzer Innenstadt ziehen und leidenschaftliche Reden auf dem Kornmarkplatz halten – so wird mit dem Christopher Street Day am PRIDE-Wochenende in Bregenz die Vielfalt der LGBTQIA+Community gefeiert.
Doch wie offen und tolerant ist das Ländle eigentlich gegenüber der LGBTQIA+ Community? Wie sicher können sich queere Menschen hier fühlen? Was sollte sich noch verändern? Und wie kann man sich am besten für queere Menschen engagieren und sie unterstützen? WANN & WO hat sich in der LGBTQIA+ Community umgehört.
Emanuel Wiehl, Obperson des Vereins Christopher Street Day Pride Vorarlberg, und Tabea Hampel von proQUEER haben mit uns über die Situation und das Leben queerer Menschen in Vorarlberg gesprochen. Außerdem haben sie ein paar Anregungen für Veränderungen und mögliches Engagement zugunsten der queeren Community gegeben.

Wie offen und tolerant ist Vorarlberg?
Tabea: „In Vorarlberg kann man, wie überall anders, offene Räume für die Community vorfinden. Aus meiner Sicht gibt es diese Räume immer mehr, allerdings ist noch viel Potenzial zum Ausbau vorhanden. Vor allem im Vergleich zu urbaneren Regionen hat Vorarlberg mit Sicherheit die Möglichkeit, sich an anderen Bundesländern und Städten zu orientieren und das queere Angebot und die Offenheit zu erweitern.“
Was sollte sich noch verändern?
Tabea: „Sichtbarkeit und ein klares Bekenntnis der Politik und Bevölkerung für die queere Community sind erste Schritte. Außerdem die Einhaltung der Menschenrechte.“
Wie sicher können sich Mitglieder der LGBTQIA+ Community fühlen?
Tabea: „Ich kann hier nur aus einer sehr privilegierten Position heraus sprechen, sehe aber natürlich auch die Angriffe auf queere Personen und Symbole. Diese sehe ich als sehr gefährlich an.“
Wie kann man sich engagieren?
Tabea: „Vor allem Menschen im Umfeld auf queerfeindliche Aussagen oder Verhaltensweisen aufmerksam machen und eine klare Haltung gegen diese zeigen. Außerdem queeren Menschen zuhören und ihre Ängste und Wünsche ernst nehmen.“

Christopher Street Day Pride Vorarlberg
„Christopher Street Day Pride Vorarlberg“ ist ein Verein zur Aufklärung und Gleichstellung im Bereich
LGBTQIA+, der sich für die Organisation und Durchführung des Christopher Street Days in Vorarlberg engagiert. Der Verein wurde im Mai 2022 gegründet und ist ein gemeinnütziger Zusammenschluss von NGOs und Privat-personen. Dabei sind die Aufklärung über und die Gleichstellung der LGTBQIA+ Community zentrale Werte und Vereinsziele. Fotos: Shutterstock, Christopher Street Day Pride Vorarlberg, proQUEER, Steurer

Positive Wahrnehmung durch „proQUEER“
Der Verein „proQueer“ kümmert sich um die Förderung der positiven Wahrnehmung von LGBTQIA+ Themen und die Gestaltung verschiedener queerer Formate und Events in der Rheintal- und Bodenseeregion. Der Verein entwickelt, gestaltet und unterstützet dabei lebendige Formate mit und für die queere Community. Der Verein hat zum Beispiel bereits eine Förderparty, dessen Spenden dem CSD Vorarlberg zugutekommen, veranstaltet.