„Junge sind nicht faul“

Theresia Grahammer aus Lustenau hat sich als Anwältin in Wien selbstständig gemacht. Wie es dazu kam und was sie dabei über Generationenkonflikte gelernt hat.

„Der Vorarlberger Traum: Man macht eine Ausbildung und baut danach in Vorarlberg ein Einfamilienhaus, kauft einen Hund und zwei Autos und zieht eine Familie groß – das ist nichts für mich“, macht Theresia Grahammer klar. Die 35-jährige Juristin hat sich auf Immobilien spezialisiert und ist nach allen Maßstäben eine „ghörige Frau“. Den „Vorarlberger Traum“ lebt sie dennoch nicht. Stattdessen entschied sich Grahammer für Wien, wo sie seit einem Jahr ihre eigene Kanzlei führt.

Der Professor sah ihr Potenzial

Die gebürtige Lustenauerin kam 2006 in die Bundeshauptstadt, wo sie ein Studium der Politik- und Rechtswissenschaften begann. Ein Leben als Anwältin hatte Grahammer damals noch nicht vor Augen. Dafür wurden andere auf sie aufmerksam. „An der Uni sah ein Professor mein Potenzial. Er hat mir daraufhin vorgeschlagen, mich in der Kanzlei eines befreundeten Anwalts zu bewerben. Das war 2008“, erinnert sich die Juristin zurück. Seitdem ist viel passiert. Grahammer schloss ihr Studium ab, gründete eine Familie und arbeitete fast 15 Jahre lang in verschiedenen Kanzleien, bevor sie 2022 ihre eigene Rechtspraxis in der Herrengasse aufgesperrt hat.

One-Woman-Show

„Jetzt kann ich mir alles selbst einteilen und bin mein eigener Chef“, sagt Grahammer. Von Immobilienfonds über Zinshausbesitzer, Bauunternehmen, Wohnungskäufer bis zu Kebab-Buden-Betreibern vertritt sie alle. Klienten gegenüber präsentiert sich die Juristin als diskrete Alleskönnerin in Immobilienfragen. Diese kommen in der Regel durch persönliche Empfehlungen zu ihr. „Man muss es nicht so machen wie die anderen. Ein Anwalt muss kein Mann sein oder eine laute Stimme haben. Es müssen mich auch nicht alle mögen, sondern nur die Richtigen!“, hebt die 35-Jährige lachend hervor.

Die faule Jugend?

Die Arbeitsjahre vor der eigenen Kanzlei waren sehr lehrreich für die Wahl-Wienerin. Dennoch reifte ein Unbehagen in ihr heran, das sie zur Selbstständigkeit motivierte. „In den großen Büros wird den Jungen oft weisgemacht, wenn du 60 bis 70 Stunden die Woche brav arbeitest, wirst du der nächste Chef, aber das gibt es heutzutage eigentlich nicht mehr. Es glauben auch immer weniger daran“, erklärt Grahammer. Die Juristin kann sich noch gut erinnern, wie ein früherer Chef meinte, die Jungen wollen nicht mehr arbeiten. Seiner Einschätzung widersprach Grahammer: „Sie wollen schon arbeiten, aber halt nicht für dich.“ Sie sieht, dass die jüngere Generation anders berufstätig sein will, als die Vorhergegangene. Wo andere Faulheit festmachen, sieht Grahammer unternehmerisches Denken: „Die Welt hat sich verändert. Egal, wie sehr sich die Jungen anstrengen, werden sie mit derselben Leistung nicht dort ankommen, wo ihre Eltern angelangt sind, weil vieles teurer geworden ist, vor allem Immobilien. Jetzt ziehen die Jungen Konsequenzen daraus. Sie fragen sich, wie kann ich unter den geänderten Rahmenbedingungen ein gutes Leben führen? Wohin führt mich mein Einsatz und wie kann ich meine Chancen am besten nützen?“

Was besser wurde

Während ihr der Generationenkonflikt Sorgen bereitet, sieht sie einen positiven Wandel in ihrer eigenen Branche. „Viele Kanzleien leben neue Arbeitszeitmodelle oder öffnen sich für Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund. Als ich anfing, war die Branche noch viel verschlossener“, schließt ­Grahammer. SV

Zur Person: Theresia GrahammerGeburtstag: 27. September 1987Ausbildung, Beruf: Bundesgymnasium Lustenau, Studium der Politik- und Rechtswissenschaften in Wien und Rouen (Frankreich)Hobbys: Reisen, Gartenarbeit, ImkereiMit Vorarlberg verbinde ich: meine Familie und Urlaub am Bödele Fotos: Tamara Höllersberger

Zur Person: Theresia Grahammer

Geburtstag: 27. September 1987

Ausbildung, Beruf: Bundesgymnasium Lustenau, Studium der
Politik- und Rechtswissenschaften in Wien und Rouen (Frankreich)

Hobbys: Reisen, Gartenarbeit, Imkerei

Mit Vorarlberg verbinde ich: meine Familie und Urlaub am Bödele Fotos: Tamara Höllersberger

«Die Welt hat sich ­verändert. Egal, wie sehr sich die Jungen ­anstrengen, werden sie mit ­derselben ­Leistung nicht dort ankommen, wo ihre Eltern ­ angelangt sind.» Theresia Grahammer