Transsexualität: Der Weg zum richtigen Spiegelbild

Felix* kam als Mädchen zur Welt. Schon früh bemerkt er, dass er im falschen Körper steckt. Jetzt ist der Oberländer 19 Jahre alt und erzählt WANN & WO von seinem Weg zu seinem wahren Ich.
WANN & WO: Wann hast du gemerkt, dass du im falschen
Körper steckst?
Felix: Das erste Mal, dass ich es mir wirklich gedacht habe und gemerkt habe, dass irgendwas nicht mit mir stimmt, war so ungefähr mit 13 oder 14 Jahren. Ich habe aber auch als Kind schon „Anzeichen“ dafür gehabt, aber ich habe mir natürlich nicht viel dabei gedacht. Als ich dann älter wurde und ins Teenageralter kam fand ich heraus, was Transsexualität überhaupt ist und habe mich da dann ein
bisschen informiert. Es hat dann nicht lange gedauert, bis ich mir gedacht habe: „Oh scheiße, das passt eigentlich genau zu mir“.
WANN & WO: Wie ging es dir in diesem Moment der Realisation?
Felix: Es war komisch, ich fühlte Erleichterung und Angst gleichzeitig. Auf der einen Seite dachte ich mir „Jetzt weiß ich endlich, was mit mir nicht stimmt“, aber auf der anderen Seite hatte ich Angst davor, es jemandem zu erzählen, und fragte mich, was jetzt passiert.
WANN & WO: Was waren dann deine nächsten Schritte?
Felix: Als Erstes habe ich meinen engsten Freunden davon erzählt und sie darum gebeten, mich zukünftig mit männlichen
Pronomen anzusprechen. Richtig geoutet habe ich mich dann aber erst mit 15. So hatte ich noch Zeit, mich selbst damit auseinanderzusetzen. Die ersten äußerlichen Veränderungen habe ich dann auch erst mit circa 15 Jahren gemacht, da habe ich dann meine Haare kurz geschnitten. Was Kleidung angeht, habe ich angefangen eher lockere Sachen anzuziehen, ich habe mich aber sowieso nie wirklich „feminin“ angezogen.
WANN & WO: Wie hat deine Familie auf dein Outing reagiert?
Felix: Meine Mutter war schon ein bisschen schockiert. Ich habe es ihr in einem gemeinsamen Gespräch mit meiner Therapeutin gesagt und sie hat es dann meinem Vater erzählt. Beide fanden es „okay“, aber es ist von ihrer Seite nie wirklich etwas gekommen. Sie haben mich mit meinem alten Namen angesprochen und immer „sie“ zu mir gesagt. Ich glaube, meine Eltern dachten, dass das nur eine Phase ist. Als ich dann 18 wurde gab es aber einen Wendepunkt, weil ihnen klar wurde:
„Hey, das geht nicht mehr weg“. Seither versuchen sie immer „er“ zu sagen, mit dem Namen klappt es
mittlerweile auch ziemlich gut.
WANN & WO: Und wie war es mit deinen Freunden?
Felix: Die haben es alle sehr gut aufgenommen.
Natürlich hatten sie am Anfang manchmal noch Schwierigkeiten, mich mit männlichen Pronomen
anzusprechen, aber das verstehe ich total, das ist Gewohnheits-sache. Auch bei anderen Leuten finde ich es nicht schlimm. Es ist zwar nicht schön, mit den
falschen Pronomen angesprochen zu werden, aber solange man es nicht extra macht, stört es mich nicht.
WANN & WO: Wieso genau dieser Name? Hast du ihn dir selbst ausgesucht?
Felix: Ja, ich hatte aber zuerst einen anderen, nämlich
„Manuel“. Da hatte ich meine Mama gefragt, wie ich denn geheißen hätte, wenn ich bei der Geburt ein Junge gewesen wäre. Irgendwie habe ich mich mit dem Namen aber nicht so richtig wohlgefühlt. Der Name bei dem ich jetzt gelandet bin ist einfach zu merken, das war mir sehr wichtig. Außerdem hat er Ähnlichkeiten mit meinem alten Namen, den will ich aber nicht nennen, das ist ein toter Name, der keine Bedeutung mehr hat.
WANN & WO: Hast du eine körperliche Transformation begonnen?
Felix: Ja, ich habe im Juni letztes Jahr mit der
Hormontherapie angefangen. Da habe ich die ersten Veränderungen relativ schnell gemerkt. Meine Stimme ist zum Beispiel tiefer geworden und meine Behaarung auch viel stärker. Längerfristig hat sich jetzt mein Körperbau auch verändert, mein Haaransatz ist anders und ich verliere viele Haare am Kopf. Auch emotionale Veränderungen sind mir aufgefallen, es ist für mich zum Beispiel viel schwerer zu weinen.
WANN & WO: In was für einer Form machst du die Hormontherapie?
Felix: Da gibt es ja viele
verschiedene Möglichkeiten, ich persönlich habe kleine Beutelchen, in denen ein Gel ist. Das muss ich mir jeden Tag auf die Arme, den Bauch oder die Beine, also einfach an Orten, wo es leicht einzieht, schmieren. Ich überlege aber, ob ich auf die Spritze umsteigen soll, die braucht es dann nämlich nur alle drei Monate.
WANN & WO: Willst du einmal eine geschlechtsangleichende Operation machen lassen?
Felix: In naher Zukunft habe ich es nicht vor. Klar wäre es cool,
aber es ist eine so komplizierte OP, bei der viel schiefgehen kann. Darum bin ich noch nicht sicher.
WANN & WO: Wurdest du schon einmal mit Transphobie konfrontiert? Wie gehst du damit um?
Felix: Nein nicht wirklich, ab und zu werde ich halt auf der Straße angesprochen. Gerade vor Kurzem beim Einkaufen hat ein
Jugendlicher mich einmal angesprochen und gefragt, was denn meine
Pronomen seien. Ich weiß zwar, dass er das spöttisch gemeint hat, aber ich muss sagen, dass ich sowas eher lustig finde, ich gehe damit locker um.
WANN & WO: Wie ist das Dating als trans*-Mann für dich?
Felix: Ganz normal würde ich sagen. Ich bin gerade in einer Beziehung mit einem trans*-Mann und das passt sehr gut. Ich muss aber auch sagen, dass ich mich grundsätzlich wohler fühle, mit einer trans*-Person zusammen zu sein, weil man sich gegenseitig einfach viel besser verstehen kann. Das heißt jetzt aber nicht, dass ich ausschließlich trans*-Personen daten würde.
WANN & WO: Was würdest du jemandem raten, der gerade merkt, dass er sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlt?
Felix: Mach es nicht wie ich und friss es ein Jahr lang in dich rein, sondern rede mit jemandem darüber und lebe es aus!
WANN & WO: Was waren die größten Herausforderungen, mit
denen du bisher konfrontiert warst?
Felix: Mit der Hormontherapie anzufangen war unglaublich
kompliziert, die Fachärzte sind nämlich alle in Tirol.
Ich musste viele verschiedene Befunde und Bescheide abholen, dann hier noch Blutabnehmen, da noch zum
Internisten, und noch zum Frauenarzt. Das war wirklich anstrengend. Alles in allem hat es circa ein Jahr gedauert, bis ich dann wirklich mit der Therapie beginnen konnte.
WANN & WO: Gibt es bestimmte Erfahrungen oder Momente, die du als besonders bedeutsam in deiner Transition empfunden hast?
Felix: Das erste Mal Testosteron nehmen, das war wirklich sehr cool. Ich habe außerdem nächste Woche meine Mastektomie, also
meine Brust wird entfernt. Als ich da den Termin zugeschickt
bekommen habe, da konnte ich einfach nicht mehr aufhören zu lächeln.
*Der Name wurde geändert und ist der Redaktion bekannt.
«Ich finde es traurig, dass sich vor allem junge Menschen über dieses Thema lustig machen. Man sollte einfach leben und leben lassen, ganz nach dem Motto: YOU DO YOU!» Felix
«Meinen Namen habe ich mir selbst ausgesucht, er ähnelt ein bisschen meinem Deadname.» Felix
«Es war komisch, ich fühlte Erleichterung und Angst zugleich.» Felix über den Moment, als er realisierte, dass er im falschen Körper steckt


Was genau bedeutet der Begriff „Transsexualität“?
Im Gegensatz zu den Begriffen Heterosexualität und Homosexualität bezieht sich Transsexualität nicht auf die sexuelle Orientierung oder das Sexualverhalten der betreffenden Personen. Transsexualität bedeutet, dass sich jemand nicht, oder nicht vollständig mit dem nach der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifiziert. Die Weltgesundheitsorganisation definiert Transsexualität als den „Wunsch, als Angehöriger eines anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden“. Foto: Shutterstock