Mit 16 Jahren geflohen: Neuanfang im Ländle

Taim ist 18 Jahre alt und lebt seit bald zwei Jahren in Vorarlberg. Mit WANN & WO sprach er über sein Leben in Syrien, seinen Neustart in einem komplett fremden Land sowie seine Träume und Ziele.
WANN & WO: Du bist im Oktober 2021 nach Österreich gezogen. Was war der Grund, wieso du deine
Heimat verlassen hast?
Taim: Der Krieg dort. Als er angefangen hat, war es in meiner Heimatstadt noch nicht so schlimm, deshalb konnten ich und meine Familie noch gut dort leben. Nach ein paar Jahren hat sich die Situation aber verändert und auch in unserer Stadt hat Krieg angefangen. Man wusste nicht einmal so richtig, gegen wen man überhaupt gerade kämpft, also wer dein Freund und wer dein Feind ist. Deshalb hat mein Vater dann beschlossen, dass wir nach Österreich ziehen. Er ist dann hierhergekommen und hat für mich, meine Mutter und meine kleine Schwester einen Asylantrag gestellt. Leider konnten meine zwei großen Schwestern nicht mitkommen, da nur Kinder unter 18 Jahren mitgehen durften. Die beiden sind jetzt 23 und 24 Jahre alt, leben bei meinen Großeltern und studieren Medizin. Es geht ihnen also gut, sie sind in Sicherheit.
WANN & WO: Was machst du schulisch oder beruflich?
Taim: Ich habe in Syrien einen normalen Schulabschluss gemacht und dann bin ich noch ein Jahr lang auf dem Gymnasium gewesen, bevor wir nach Österreich gezogen sind. Hier ist mein Schulabschluss aber nicht anerkannt worden, deshalb habe ich den Pflichtschulabschluss jetzt hier nochmal nachgeholt. Den habe ich jetzt gerade mit Einser und Zweier im Zeugnis abgeschlossen. Jetzt möchte ich eine Lehre anfangen irgendwo im Sportbereich, weil ich gerne Fitnessbetreuer oder Physiotherapeut werden will.
WANN & WO: Wie hat es sich angefühlt, deine ganze Heimat und alles was du kennst zurückzulassen?
Taim: Es war wirklich sehr schwer, vor allem, dass wir uns als Familie trennen mussten. Wir mussten diese Entscheidung aber treffen, denn wenn wir zusammen in Syrien geblieben wären, dann wäre die Situation nur noch schlimmer geworden. Dann hätten wir zum Beispiel das Studium für meine Schwestern nicht bezahlen können. Auch meine Freunde und übrige Verwandtschaft zu verlassen ist mir sehr schwergefallen. Ich dachte mir dann aber, „manchmal muss man solche Entscheidungen einfach treffen, dass alles besser werden kann“. Deswegen war ich dann sehr motiviert nach Österreich zu ziehen, weil ich auch bessere Chancen habe, im Thaiboxen oder Kickboxen Karriere zu machen.
WANN & WO: Hast du dich in Österreich willkommen gefühlt?
Taim: Ja, sogar sehr. Wir haben von der Caritas gleich eine Wohnung bekommen, für drei oder vier Monate ungefähr, bis mit dem Asylantrag alles durch war und wir den Bescheid bekommen haben. In dieser Zeit habe ich von meinen Eltern eine riesige Verantwortung bekommen, ich habe eigentlich alles für uns organisiert. Deshalb habe ich gleich als wir hier waren mithilfe von Youtube-Videos und Duolingo vier bis fünf Stunden jeden Tag selbst Deutsch gelernt, ich wusste einfach „Ich muss das jetzt so schnell wie möglich lernen“. Dann habe ich eine Wohnung für uns und einen Job für meine Vater gesucht. Das war gar nicht so einfach, weil er schon sehr alt ist und große Schwierigkeiten hatte, Deutsch zu lernen. Wir haben dann aber schlussendlich doch eine Stelle für ihn gefunden. Er und meine Mutter besuchen jetzt regelmäßig Deutsch-Kurse und meine Schwester ist in der Schule, sie hat sich also auch gut integriert.
WANN & WO: Wurdest du schon einmal aufgrund von deinem migrantischen Hintergrund in Vorarlberg diskriminiert?
Taim: Nein, gottseidank nicht. Ich habe nie irgendwelche Probleme gehabt, seit ich hier bin. Mir ist zwar schon bewusst, dass viele Menschen, die von hier kommen, ein Problem mit Ausländerinnen und Ausländern haben, aber ich habe das bisher nicht zu spüren bekommen.
WANN & WO: Was würdest du zu jemandem sagen, der Menschen aufgrund ihrer Herkunft
diskriminiert?
Taim: In meinen Augen gibt es immer „gute“ und „schlechte“ Menschen. Das hat aber nichts mit dem Land zu tun, aus dem sie herkommen. Ich finde zum Beispiel, dass es wichtig ist, als Mensch etwas zu tun, an etwas zu arbeiten. Es gibt Ausländer, aber genau so auch Österreicher, die nichts für das Land machen und einfach faul sind. Außerdem kann man nicht, nur weil man ein paar Personen mit bestimmter Herkunft
kennengelernt hat, daraus auf eine ganze Bevölkerungsgruppe schließen.
WANN & WO: Was sind deine Träume und Ziele für die Zukunft?
Taim: Ich will auf jeden Fall weiterhin Sport treiben und irgendwann Profisportler werden.
Beruflich möchte ich jetzt eine Lehre anfangen, weil ich wie gesagt
Physiotherapeut oder Fitnessbetreuer werden will. Ansonsten möchte ich darauf achten, dass meine
Familie immer in Sicherheit ist. Vor allem möchte ich meinen
Schwestern helfen, auch nach
Österreich zu ziehen, sobald sie das
Medizinstudium abgeschlossen haben.
«Mir ist bewusst, dass viele Menschen, die von hier kommen, ein Problem mit Ausländerinnen und Ausländern haben. Das habe ich bisher aber zum Glück noch nie zu spüren bekommen.»
Taim Al Taweel
«Ich möchte jetzt eine Lehre anfangen, weil ich gerne Physiotherapeut oder Fitnessbetreuuer werden will.» Taim
«Ich wollte so schnell wie möglich Deutsch lernen, deshalb habe ich es mir selbst mithilfe von Youtube-Videos und Duolingo beigebracht.» Taim


Zur Person: Taim Al Taweel
Wohnort, Alter: Satteins, 18 Jahre
Hobbys: Kickboxen und Thaiboxen,
ein bis zwei Stunden Training jeden Tag
Motto: „Selbstdisziplin verwirklicht Träume!“
Berufswunsch: Physiotherapheut oder Fitnessbetreuer